Zeitpunkt der Anschaffung des § 23 EStG bei Bedingung iSv § 158 BGB

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Orientierungssatz: Ist der Grundstückskaufvertrag mit einem befristeten Erwerberbenennungsrecht ausgestattet, kommt es zur Anschaffung i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG im Zeitpunkt der Selbstbenennung (Selbsteintritt), selbst wenn der Benennungsberechtigte das Grundstück mit dem späteren Fristablauf ohnehin "automatisch" (Annahmefiktion) erworben hätte.

 

Entscheidung: BFH, Urteil vom 26.10.2021, IX R 12/20

  1. Sachverhalt

Die Beteiligten streiten um den Fristbeginn der Spekulationsfrist nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 EStG.

Die Kläger und Revisionsbeklagten sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin (die Ehefrau) schloss am 21. September 2000 einen notariellen Grundstückskaufvertrag mit dem Land Berlin. Aus diesem geht das Land Berlin als Veräußerer und die Klägerin als Benenner für weitere noch zu bestimmende Erwerber hervor. Demnach verpflichtete sich das Land Berlin zwei noch zu vermessene Grundstücksteilflächen an den Dritten als Erwerber und noch fünf weitere zu bestimmende Erwerber zu verkaufen.

Hinsichtlich der noch zu benennenden Erwerbern regelt § 2 des Grundstückskaufvertrags folgendes:

"Die Benennung hat bis zum 31.06.2002 zu erfolgen. Nach Ablauf der vorgenannten Frist gilt der Benenner als Erwerber der bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht benannten Miteigentumsanteile."

Am 20. August 2001 benannte die Klägerin sich selbst und Ihren Ehemann (den Kläger) als Erwerber für ein Reihenmittelhaus. Die notarielle Urkunde weist die Klägerin als "Benenner und Erwerber" und den Kläger als "Erwerber" aus. Den Kaufpreis in Höhe von 63.706,24 DM entrichteten die Kläger am 26.02.2002.

Das zur Erzielung von Vermietungseinkünften errichtete Haus veräußerten die Kläger am 25. Februar 2011 zu einem Kaufpreis von 190.000 €.

In dem erlassenen Einkommensteuerbescheid 2011 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das FA) Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften fest. Der erhobene Einspruch blieb erfolglos, da das FA der Meinung war, dass erst mit der Selbstbenennung am 20. August 2011 eine Anschaffung im Sinne des § 23 EStG stattgefunden habe.

Die daraufhin erhobene Klage hatte erfolgt, das FG sah in dem am 21. September 2000 geschlossenen Vertrag die Anschaffung des Objektes, sodass die Spekulationsfirst bereits abgelaufen gewesen sei.

  1. Entscheidungsgründe

Die von den Klägern eingelegte Revision hatte Erfolg.

Der erkennende Senat des BFH folgt nicht der Ansicht der Vorinstanz, dass es sich bei dem Verkauf der Immobilie nicht um ein privates Veräußerungsgeschäft nach § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG handelt.

Voraussetzung hierfür ist nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, dass zwischen Anschaffung und Veräußerung des Grundstücks der Zeitraum nicht mehr als zehn Jahre beträgt.

Maßgeblich ist nach der ständigen Rechtsprechung des BFHs grundsätzlich der Zeitpunkt in denen die obligatorischen Verträge abgeschlossen wurden. Problematisch war in dem vorliegenden Fall, ob es sich bei dem Vertragsschluss im Jahr 2000 oder im Jahr 2001 um eine solch bindende Vertragserklärung gehandelt hat.

Der Senat führt hierzu aus, dass maßgeblich für eine Veräußerung im Sinne des § 23 EStG ist, dass der Vertragsabschluss, also grundsätzlich das Angebot und die Annahme, innerhalb der Veräußerungsfrist bindend geworden ist.

Der Senat weist darauf hin, dass die Rechtsprechung auch schon ein rechtlich bindendes Verkaufsangebot als ein maßgebliche Vertragserklärung angesehen hat, dies aber nur für die Fälle gilt, wo bereits der Übergang von Besitz, Gefahr sowie Nutzungen und Lasten wirtschaftlich vollzogen war. Dementsprechend ist von keiner Veräußerung im Sinne des § 23 EStG auszugehen, wenn die Gefahr noch nicht übergegangen ist und der Verkäufer dem Käufer noch kein wirtschaftliches Eigentum verschafft hat. Begründet wird dies mit dem Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung.

Im weiteren Verlauf führt der Senat aus, wann einer von einer Bindungswirkung und wann er von keiner Bindungswirkung bei einem Rechtsgeschäft ausgeht.

So nimmt der Senat dann eine Bindungswirkung an, wenn das Rechtsgeschäft von dem Eintritt einer Bedingung abhängt. Aus dem Wesen der Bedingung und dem Wortlaut des § 158 Abs. 1 BGB folgt, dass das aufschiebend bedingte Rechtsgeschäft tatbestandlich mit seiner Vornahme vollendet und voll gültig ist --die Parteien daher fortan bindet-- und seine Wirksamkeit mit dem Bedingungsfall ipso iure eintritt, ohne dass die Willenseinigung der Parteien noch bis dahin Bestand haben müsste; nur die Rechtswirkungen des bedingten Rechtsgeschäfts befinden sich bis zum Bedingungseintritt in der Schwebe.

Von keiner Bindungswirkung geht der Senat dann aus, wenn das Rechtsgeschäft von einer Genehmigung abhängig ist. In einem solchen Fall ist auf dem Zeitpunkt der Genehmigung abzustellen, welche steuerlich nicht auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts zurückwirkt.

Aus diesen Grundsätzen folgt für den Senat, dass nicht auf den notariellen Grundstückskaufvertrag aus dem Jahr 2000, für die Bestimmung der Spekulationsfirst abzustellen ist, sondern die Benennung des Erwerbers im Jahr 2001 maßgeblich war. 

Der Senat führt hinsichtlich des notariellen Grundstückskaufvertrags aus, dass es sich hierbei nur um ein rechtlich bindendes Angebot des Veräußerers gehandelt habe. Durch den Abschluss des Benennungsvertrags ist jedoch nach Ansicht des BFH noch keine Annahme des Kaufangebots zu sehen.

Die Klägerin hat durch ihre Benennung in der notariellen Urkunde aus dem Jahr 2001 das obige Angebot rechtswirksam angenommen und somit den Bindungswillen hinsichtlich des Erwerbs des Grundstücks kenntlich gemacht.

So zeigt es sich auch bei der Benennung des Ehemanns als Käufer. Hier ist es durch die Benennung zur Abtretung der Rechte aus dem Kaufangebot gekommen. Dementsprechend kommt der Kaufvertrag mit dem vom Benennungsberechtigten Benannten zustande, wenn dieser das Angebot annimmt. So hat die Klägerin die Rechte aus dem Kaufangebot durch den Vertrag vom 20.08.2001 durch Benennung an den Kläger abgetreten. Durch die Annahme des Kaufangebots durch den Kläger ("Erwerber") ist der Kaufvertrag zwischen dem Land Berlin und dem Kläger wirksam zustande gekommen.

Bedauerlicherweise hat der Senat keine weiteren Ausführungen zu den Umstand getätigt, wie der Sachverhalt zu beurteilen wäre, wenn die Klägerin das Grundstück durch die Benennungsfrist erworben hätte. Hier verweist der Senat darauf, dass es sich um einen alternativen Sachverhalt handele, welcher nicht zu beurteilen ist. 

 

 (Claudius Söffing, Rechtsanwalt)