Orientierungssatz:
Beantragt der Kläger die Verlegung der mündlichen Verhandlung mit der Begründung, er habe die Klageerwiderung nicht erhalten, kann darin ein erheblicher Grund für die Verlegung des Termins liegen.
Entscheidung:
BFH, Beschluss vom 29. Juli 2021, IX B 56/20
I. Sachverhalt
Gegenstand der Beschwerde war die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Der Kläger und Beschwerdeführer beantragte die Verlegung der mündlichen Verhandlung, da er eine Klageerwiderung nicht erhalten habe. Das Finanzgericht konnte den Zugang dieser Klageerwiderung beim Kläger nicht feststellen. Trotz dieser Kenntnis lehnte der Senat den Antrag ab. Das Finanzgericht verhandelte in Abwesenheit des Klägers mündlich und entschied aufgrund dieser mündlichen Verhandlung zur Sache. Der Kläger erhob die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision mit der Begründung, dass ein Verfahrensmangel gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO wegen Verletzung des Anspruch auf rechtliches Gehör nach § 96 Abs. 2 FGO i.V.m. Art. 103 Abs. 1 GG vorliegen würde.
II. Gründe
Die Beschwerde ist begründet. Der Senat nimmt an, dass der Antrag auf Verlegung der mündlichen Verhandlung rechtens war und somit der Kläger nicht gehalten war an der mündlichen Verhandlung teilnehmen zu müssen.
Beantragt der Kläger die Verlegung der mündlichen Verhandlung mit der Begründung, er habe eine Klageerwiderung nicht erhalten, kann darin ein erheblicher Grund für die Verlegung des Termins liegen. Das ist etwa der Fall, wenn der Zugang des Schriftstücks nach Aktenlage nicht feststeht und es auch nicht mehr so rechtzeitig übermittelt werden kann, dass eine genügende Zeit zur Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung verbleibt. In diesem Fall muss der Kläger insbesondere nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen, um sich dort eine Abschrift des Schriftsatzes aushändigen zu lassen, diese im Beisein des Gerichts und der anderen Beteiligten durchzulesen um dann zu entscheiden, ob er sich darauf spontan einlassen kann oder ob er die Vertagung des Termins beantragt.
Aus § 77 FGO ergibt sich, dass die Beteiligten gehalten sind, sich auf die mündliche Verhandlung vorzubereiten. Dazu sind ihnen die Schriftsätze der jeweils anderen Seite von Amts wegen zu übermitteln. Dies muss so rechtzeitig geschehen, dass eine ausreichende Zeit zur Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung verbleibt. Die Übergabe in der mündlichen Verhandlung ist grundsätzlich nicht ausreichend. Das gilt auch dann, wenn das Gericht der Auffassung ist, die Klageerwiderung gebe lediglich die wohlbekannte Auffassung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt) wieder und führe keine neuen Tatsachen in das Verfahren ein. Dies zu beurteilen ist zuvörderst Sache des Klägers.