Der 19. Steueranwaltstag fand am 01. und 02.11.2013 – wie es nun schon Tradition geworden ist - in der Bundeshauptstadt Berlin statt. Das Hotel Maritim im Botschaftsviertel nahe des Tiergartens stellte bereits zum zweiten Mal seine ansprechenden Räumlichkeiten für diese Veranstaltung zur Verfügung. Für teilnehmende Fachanwälte für Steuerrecht war der pflichtgemäße Fortbildungsnachweis im Sinne des § 15 FAO wertvoll.
Die Themen
Die neun Themen waren vielfältig: Von der Gemeinnützigkeit über die Mitunternehmerschaft zur Organschaft und dem Verfahrensrecht wurde der Bogen ferner zum Erbschaftsteuerrecht, der Umsatzsteuerhinterziehung, den Mitarbeiterbeteiligungsmodellen und dem Insolvenzsteuerrecht gespannt. Die Bundestagswahl wirkte sich im Gegensatz zur Erwartung des Geschäftsführenden Ausschusses der AG Steuerrecht im DAV kaum auf die Themen aus. Aufgrund des Ergebnisses der Bundestagswahl Ende September 2013 waren die Parteien auch etwa sechs Wochen danach noch mit der Frage der Koalitionsbildung beschäftigt. Neue Gesetze oder Gesetzesänderungen waren von der geschäftsführenden Regierung folglich nicht mehr und von der erst noch zu bildenden neuen Regierung noch nicht einmal im Entwurf vorgelegt und erst recht noch nicht verabschiedet worden.
Die Vorträge
Die Vorträge der Referenten werden auf der Homepage der AG Steuerrecht im DAV unter www.steuerrecht.org veröffentlicht. Außerdem können sie im Tagungsband „Steueranwalt 2013/2014“, welcher jedem Mitglied der ARGE Steuerrecht im DAV vom Boorberg-Verlag zugesandt werden wird, nachgelesen werden.
Den Auftakt des Steueranwaltstages gab Sascha Voigt de Oliveira, Rechtsanwalt und Steuerberater, Berlin, mit „Aktuellen Fragen der steuerlichen Gemeinnützigkeit“. Schwerpunkte des Vortrags waren das im Frühjahr 2013 in Kraft getretene Ehrenamtsstärkungsgesetz, die aktuelle Rechtsprechung zur Steuerbegünstigung und die aktuellen Verwaltungsanweisungen. Nach der Einführung des § 5b EStG haben auch gemeinnützige Körperschaften Gewinn- und Verlustrechnungen sowie Bilanzen zu erstellen und als sog. E-Bilanz einzureichen. Die Frage, ob diese E-Bilanzen nur für wirtschaftliche Geschäftsbetriebe oder für alle Einnahmen und Ausgaben des Vereins zu fertigen sind, soll ein neues BMF-Schreiben bis Ende des Jahres 2013 beantworten. Aufgrund des am 1.2.2014 in Kraft tretenden SEPA-Verfahrens müssen Spendern die neuen Kontoverbindungen mitgeteilt und Einzugsermächtigungen aktualisiert werden. (Anmerkung: Die EU-Kommission hat die Einführung des SEPA-Verfahrens auf den 1. August 2014 verschoben.)
Wegen des Grundsatzes der Unentgeltlichkeit müssen künftig Vergütungen für Vorstände in der Satzung geregelt sein. Zumindest sollte eine Öffnungsklausel in die Satzung aufgenommen werden. Der Freistellungsbescheid mit dem ihm zugrundeliegenden Verfahren wird durch das gesonderte Feststellungsverfahren gemäß § 60a AO mit abschließendem Feststellungsbescheid abgelöst. Der Feststellungsbescheid stellt fest, ob die satzungsmäßigen Voraussetzungen erfüllt sind, und ist Voraussetzung für die Erteilung von Zuwendungsbestätigungen an Spender. Die erst im Jahre 2012 geänderten amtlichen Muster für Zuwendungsbestätigungen entsprechen nicht dieser neuen Gesetzeslage und müssen erneut angepasst werden. (Anmerkung: Das BMF hat am 7. November 2013 neue Muster für Zuwendungsbestätigungen veröffentlicht, die ab dem 1.1.2014 zwingend anzuwenden sind. – Az. IV C 4 – S 2223/07/0018:005 - hier weitere Infos finden)
Eine Bestandsaufnahme zur neueren BFH-Rechtsprechung der Jahre 2011 bis 2013 hinsichtlich der „Übertragung von Wirtschaftsgütern aus dem Vermögen einer Mitunternehmerschaft“ lieferte Meinhard Wittwer, Richter am BFH, München. Die wesentliche Frage bei Übertragungen und Überführungen von Wirtschaftsgütern zwischen Personengesellschaften und von Einzelunternehmen in Personengesellschaften ist die Bewertung dieser Wirtschaftsgüter nach § 6 Abs. 5 EStG. Anhand der neueren Rechtsprechung der BFH-Senate zur Bewertung erläuterte er das Verhältnis der Absätze 3, 4 und 5 des § 6 EStG sowie die zum Teil divergierende Rechtsprechung des 1. und 4. Senats. Aufgrund der nach Ansicht des BMF fehlerhaften Anwendung der Gesamtplanrechtsprechung wendet das BMF diese Urteile zum Teil nicht an (BMF-Schreiben vom 12.09.2013). Herr Wittwer sprach sich für die Aufhebung dieses BMF-Schreibens aus.
Unter dem Titel „Brennpunkt der Körperschaftsteuer – insbesondere aus dem Bereich der Organschaft“ präsentierte Dr. Dirk Pohl, RA StB Fachanwalt für Steuerrecht, McDermott Will & Emery, München, zunächst die „kleine“ Organschaftsreform mit einem Überblick über die gesetzlichen Änderungen der Unternehmensbesteuerung im Jahr 2013. Hervorzuheben sind die Verhinderung einer mehrfachen Verlustberücksichtigung nach § 14 Abs. 1 Nr. 5 KStG für alle offenen Fälle als Reaktion auf das Urteil des EuGH vom 06.09.2012 – Az. C-18/11 – und die Einführung des Feststellungsverfahrens in § 14 Abs. 5 KStG (siehe hierzu BMF-Schreiben vom 29.05.2013). Den zweiten Schwerpunkt des Themas bildete die Körperschaftsteuerpflicht von Streubesitzdividenden. Nach dem Gesetz zur Umsetzung des EuGH-Urteils vom 20.10.2011 in der Rechtssache C-284/09 gilt die Steuerbefreiung gemäß § 8b Abs. 1 KStG ab dem 1. März 2013 nicht mehr. Der dritte Schwerpunkt des Vortrags war das Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetz vom 26.06.2013 wobei Dr. Pohl vor allem auf die neueren BFH-Urteile (Az. I R 109/10 und Az. I R 110/10) zur verunglückten Organschaft einging.
„Die neuen Waffen der BP“ sind der Einsatz von EDV und statistischen Methoden in der steuerlichen Außenprüfung, wie Ulrich Schönhofer, Oberregierungsrat, Tutzingen, den Teilnehmern eröffnete. Seit der Zugriff der Betriebsprüfer auf die elektronisch gespeicherten Unternehmensdaten Standard geworden ist, kann die Prüfung vieler Sachverhalte in kürzester Zeit effizient und umfassend durchgeführt werden. Neue Aufbewahrungsregeln in § 147 Abs. 1 AO tragen dazu bei. Das BMF arbeitet zur Zeit an den GoBD, die bislang nur im Entwurf veröffentlicht wurden, und die GDPdU und GoBS zusammenfassen und die neuen tatsächlichen und rechtlichen Entwicklungen verarbeiten.
Im Fokus stand erneut das Erbschaftsteuergesetz. Dr. Jörg Stalleiken, Rechtsanwalt StB Dipl.-Finanzwirt, Flick Gocke Schaumburg, Bonn, gab jenseits der Frage der Verfassungsmäßigkeit einen Überblick über die „praxisrelevante Rechtsprechung und Gesetzgebung zum Erbschaftsteuergesetz“. Die Änderungen des ErbStG durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 26.07.2013 (BGBl. I 2013, 1809) sind im Wesentlichen die Erweiterung des Verwaltungsvermögens um Geldmittel und Forderungen (§ 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a ErbStG), Verschärfungen beim jungen Verwaltungsvermögen (§ 13b Abs. 2 Satz 3, 2. HS ErbStG) und die bei 20 Arbeitnehmern liegende Grenze bei der Lohnsummenkontrolle (§ 13a Abs. 1 Satz 4 ErbStG). Die aktuellen Entwicklungen in der Rechtsprechung zum ErbStG wurden durch vier BFH-Entscheidungen geprägt. Diese betrafen die vermögensverwaltenden Personengesellschaften (BFH v. 11.06.2013, Az. II R 4/12), den Quotennießbrauch an Mitunternehmeranteilen (BFH v. 16.05.2013, Az. II R 5/12), verdeckte Gewinnausschüttungen und Schenkungsteuer (BFH v. 30.01.2013, Az. II R 6/12) und den Verzicht auf Mehrstimmrechte (BFH v. 30.01.2013, Az. II R 38/11).
Vor dem Hintergrund der noch laufenden Koalitionsverhandlungen nach der Bundestagswahl 2013 überlegte Dr. Matthias Söffing, Rechtsanwalt, Steuerberater, Düsseldorf, „Was wird aus den Wahlversprechen?“, wobei er die Aussagen der Wahlprogramme der Parteien zur Einkommen-, Vermögen- Erbschaftsteuer und Selbstanzeige analysierte. Einen umfassenden Ein- und Überblick in und über die „systematischen Grundlagen und aktuellen Verteidigungsansätze zur Umsatzsteuerhinterziehung“ gewährte Dr. Martin Wulf, Rechtsanwalt Fachanwalt für Steuerrecht, Streck Mack Schwedhelm, Berlin.
„Mitarbeiterbeteiligungsmodelle und deren steuerliche Behandlung“ präsentierten Tim Dümichen und Stefan Kimmel, KPMG, Berlin. „Zur Rolle des Finanzamts in der Insolvenz“ als Insolvenzauslöser, Verfahrens- und Sanierungsbeteiligter erläuterte Dr. Klaus Olbing, Rechtsanwalt, Streck Mack Schwedhelm, Berlin, „die Streitfelder des Insolvenzsteuerrechts“.
Der Ausblick - Jubiläum
Der 20. Steueranwaltstag wird als Jubiläumssteueranwaltstag am 31. Oktober und 01. November 2014 in Berlin im Hotel Adlon am Brandenburger Tor veranstaltet.
Sabine Unkelbach-Tomczak, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Steuerrecht, Frankfurt