I. Außensteuergesetz
Der erwartete aktuelle Überblick zu Praxisfragen des Außensteuergesetzes entpuppte sich als detaillierter und umfassender Einblick in den aktuellen Rechtsstand des Außensteuergesetzes. Prof. Dr. Gerhard Kraft, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, schilderte die Entwicklungen im Bereich der Verrechnungspreise und Funktionsverlagerung, führte die Zuhörer zu den Neuigkeiten bei der erweiterten beschränkten Steuerpflicht, fragte nach der „Klärung der Unionsrechtskompatibilität der Wegzugsbesteuerung“, erläuterte den Reformbedarf bei der Hinzurechnungsbesteuerung anhand ausgewählter Themen, ging auf die Lösung von Problemen der „Einkommenszurechnung bei ausländischen Familienstiftungen“ durch die Rechtsprechung des BFH ein, betrachtete hinsichtlich des Verfahrensrechts einige Steuererklärungspflichten im Zusammenhang mit der Hinzurechnungsbesteuerung und schloss seine Ausführungen mit einer Zusammenfassung in zehn Thesen und der Erkenntnis, dass die Fundamentalreform des AStG trotz der in den letzten Jahren vorgenommenen umfangreichen Änderungen immer noch erhoben werden muss.
II. Vermögensteuergesetz
Das Vermögensteuergesetz 1990 wird aufgrund des Beschlusses des BVerfG vom 22. Juni 1995 seit dem Jahr 1997 wegen der Verfassungswidrigkeit nicht mehr angewendet. Es wurde jedoch nicht aufgehoben. Das bedeutet, es kann jederzeit wieder angewendet werden, wenn die Verfassungswidrigkeit beseitigt wird. Seitdem wurde immer wieder der Ruf nach Revitalisierung der Vermögensteuer laut.
Ob eine Wiederbelebung der deutschen Vermögensteuer vertretbar ist und in welcher Form sie erhoben werden könnte untersuchte RA und StB Friedhelm Jacob, Hengeler Müller, Frankfurt, im Rahmen der Darstellung der Perspektiven im internationalen Vergleich. Ein Vergleich mit Vorbildern für Vermögensbesteuerung im Ausland setzt eine Systematisierung Besteuerungsform voraus: Es ist zunächst festzustellen, ob die ausländische Vermögensteuer eine einmalige Vermögensabgabe oder ein wiederkehrende Vermögensteuer, und ob sie eine Gesamtvermögensteuer oder eine Objektsteuer ist. Bei einem „Blick über die Grenze“ nach Großbritannien, Luxemburg, USA, Frankreich und in die Schweiz stellte er die verschiedenen Systeme der Vermögensbesteuerung in diesen Staaten dar, verglich sie mit der deutschen Vermögensbesteuerung und prüfte, ob sie als Vorbilder tauglich sind. Sein Fazit war, dass die Bewertungssysteme des Auslands nicht als Vorbild für Deutschland geeignet sind, weil keine höhere Vollzugsgerechtigkeit erreicht wird. Wenn überhaupt, dann kommt die französische Vermögensbesteuerung als Beispiel in Betracht. Das in den Vereinigten Staaten von Amerika bestehende System der Objektsteuer ist nicht als Vorbild geeignet. Unter Berücksichtigung der in Deutschland seit 1996 geänderten verschiedenen Steuergesetze und der dadurch geänderten Steuerbelastung der deutschen Bürger ist eine Wiederaufnahme der Vermögensbesteuerung vor allem ohne eine Sicherung vor einer Übermaßbesteuerung nicht zu rechtfertigen.
III. Gewerblicher Grundstückshandel
Im Bereich des gewerblichen Grundstückshandels haben sich nach dem Wandel der Rechtsprechung neue Streitfelder ergeben, wie RA und Fachanwalt für Steuerrecht Dr. jur. Matthias Söffing, S & P Söffing Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Düsseldorf, mitteilte.
Im Zusammenhang mit dem gewerblichen Grundstückshandel ist die wesentliche Fragestellung, wie dieser von der privaten Vermögensverwaltung abgegrenzt werden kann. Der BFH entwickelte dazu das Kriterium der Drei-Objekt-Grenze und betrachtet sie als wichtiges „Indiz für oder gegen eine von Anfang an bestehende, zumindest bedingte Veräußerungsabsicht“. Mit seiner Entscheidung vom 10.12.2001 eröffnete der Große Senat des BFH die Diskussion um die sog. „Ein-Objekt-Fälle“, weil er in der Drei-Objekt-Grenze keine Mindestgrenze für das Tatbestandsmerkmal der Nachhaltigkeit des § 15 Abs. 2 EStG sah.
Das Problem ist die Entkräftung des Indizienbeweises durch den Steuerpflichtigen, dass er keine bedingte Veräußerungsabsicht gehabt hat und die Objekte in seiner privaten Vermögensverwaltung belassen wollte. Nach der Rechtsprechung des BFH ist es nahezu unmöglich, die Indizwirkung des engen zeitlichen Zusammenhangs mit der bedingten Veräußerungsabsicht zu beseitigen und die Gewerblichkeit des Grundstückshandels zu verhindern.
Die Kritik an der Rechtsprechung des BFH betrifft die Fälle, in denen ein Lebenssachverhalt zur Abwendung finanzieller Nachteile unvermeidbar zur Veräußerung führt, obwohl der Steuerpflichtige lediglich Vermögensverwaltung ausüben wollte. Dann kommt es zu einem Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 GG. Es muss daher nach Dr. Söffings Auffassung zur Abgrenzung auf die unbedingte Veräußerungsabsicht abgestellt werden.
Bei den sog. Ein-Objekt-Fällen ist das Merkmal der Nachhaltigkeit problematisch, um gewerblichen Grundstückshandel annehmen zu können. Liegt die unbedingte Veräußerungsabsicht erst im Zeitpunkt nach Bebauung des Grundstücks oder nach Beauftragung des Generalunternehmers vor, dann ist vermögensverwaltende Tätigkeit gegeben.
IV. Betriebsaufspaltung
Die aktuellen Praxisfragen rund um die Betriebsaufspaltung arbeitete Dr. Lars Micker, BScEc, LL.M., Nordkirchen/Düsseldorf, systematisch und detailliert auf. Ausgehend von den Grundlagen und Formen der Betriebsaufspaltung, der echten, unechten, kapitalistischen, mitunternehmerischen, unmittelbaren und mittelbaren Betriebsaufspaltung (BA), stellte er die neuen Entwicklungen hinsichtlich der Voraussetzungen der BA, der sachlichen und personellen Verflechtung, dar. Bei der sachlichen Verflechtung lag der Schwerpunkt auf den Fragen, welche einzelnen Wirtschaftsgüter wesentliche Betriebsgrundlage sein können und in welcher Weise die wesentliche Betriebsgrundlage überlassen sein muss. Bezüglich der personellen Verflechtung sind Neuerungen für die Beurteilung des einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillens, dessen Durchsetzung, der mittelbaren Beherrschung, der Beteiligung von Angehörigen und der faktischen Beherrschung zu berücksichtigen. Hervorzuheben ist die neue Entscheidung des BFH vom 23.03.2011 – Az. X R 45/09, BFH/NV 2011, 1565 – die bestätigt, dass die Aktiengesellschaft ein Betriebsunternehmen sein kann, und die ferner feststellt, dass die personelle Verflechtung im Verhältnis zwischen einem Mehrheitsaktionär und der Aktiengesellschaft grundsätzlich zu bejahen ist. Unter „Besonderheiten bei der Einheits-Betriebsaufspaltung“ wurden das Besitzunternehmen als Holding und das Verhältnis zwischen Betriebsaufspaltung und körperschaft- und umsatzsteuerlicher Organschaft erläutert. Des Weiteren stellte Dr. Micker aktuelle Entwicklungen der mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung, der Betriebsaufspaltung über die Grenze sowie des Beginns und der Beendigung der Betriebsaufspaltung vor.
Hinsichtlich der einkommensteuerrechtlichen Rechtsfolgen der Betriebsaufspaltung wies Dr. Micker darauf hin, dass das BMF nach zwei finanzgerichtlichen Entscheidungen den Anwendungsbereich des § 3c Abs. 2 EStG auf Fälle der unentgeltlichen und teilentgeltlichen Nutzungsüberlassung ausgedehnt hat (BMF vom 08.11.2010, BStBl. I 2010, 1292, Tz. 1). Somit unterliegen Aufwendungen für Wirtschaftsgüter, die im Rahmen der BA überlassen werden, dem Abzugsverbot des § 3c Abs. 2 EStG. Die Folgen für den Fall, dass das Besitzunternehmen ein Einzelunternehmen oder eine Personengesellschaft ist, sind andere als die Folgen für den Fall, dass eine Kapitalgesellschaft das Besitzunternehmen ist.
V. Verhaltensempfehlungen für das Verfahren vor dem Finanzgericht und die mündliche Verhandlung – aus Sicht eines Finanzrichters und aus Sicht eines Steueranwalts
Aus zwei konträren Blickwinkeln erhielten die Zuhörer praxisnahe und sehr anschauliche Hinweise, wie sie sich im Interesse ihrer Mandanten als Steueranwälte im Verfahren vor dem Finanzgericht und in der mündlichen Verhandlung verhalten und was sie besser unterlassen sollten.
1. Aus der Sicht eines Richters der Finanzgerichtsbarkeit erläuterte Prof. Dr. Thomas Stapperfend, Vizepräsident des FG Berlin-Brandenburg, unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung, welche Fehler bei der Erhebung der Klage und der Bezeichnung des Streitgegenstandes, der Vorlage einer Vollmacht, der Begründung einer Klage, bei den Fristen nach § 79b FGO, der Einzelrichterübertragung, Verzicht auf die mündliche Verhandlung, Videokonferenz, der mündlichen Verhandlung, der Verfahrens- und Sachaufklärungen und der Beendigung des Verfahrens vermieden werden sollten. Einige ausgewählte Hinweise werden im Folgenden wiedergegeben:
a) Die Angabe des richtigen Beklagten und des richtigen Klagegegenstandes ist notwendig. Zumindest der wesentliche Inhalt des Klageantrages sollte vom Kläger formuliert werden. Wird der Klagegegenstand nicht ordnungsgemäß mitgeteilt, ist zu befürchten, dass das Gericht eine Ausschlussfrist setzt, innerhalb der der Klagegegenstand exakt zu bezeichnen ist. Wenn eine Ausschlussfrist gesetzt wurde, muss diese eingehalten werden. Eine Verlängerung ist nur unter den Voraussetzungen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich.
b) Eine schriftliche Vollmacht ist im Original seit dem 1.7.2008 nicht mehr vorzulegen, wenn ein RA, StB oder WP die Klage einreicht (§ 62 Abs. 6 Satz 4 FGO). Das Gericht hat jedoch bei unklarer Vollmacht oder Zweifeln die Möglichkeit, eine schriftliche Vollmacht anzufordern.
c) In der Klagebegründung muss die Beschwer zwingend dargelegt sein (§ 40 Abs. 2 FGO). Das Gericht kann für die weitere Klagesubstantiierung eine Frist setzen (§ 79b FGO). Für das Finanzgericht gilt der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 76 Abs. 1 FGO). Den Beteiligten obliegt eine prozessuale Mitwirkungspflicht. Die Verletzung der Mitwirkungspflichten der Beteiligten führt zu einer Einschränkung des Amtsermittlungsgrundsatzes. Dies ist besonders in Fällen mit Auslandsbezug wichtig: Es besteht keine Pflicht des Gerichts, den im Ausland ansässigen Zeugen zu laden, wenn der Kläger diesen nicht angibt.
d) Der Kläger muss im Einzelnen darlegen, was aufzuklären ist. Das Gericht muss alle Beweismittel heranziehen. Besondere Bedeutung haben Beweisanträge: Das Gericht ist an diese zwar nicht gebunden, aber ein substantiierter Beweisantrag mit konkrete Angaben ist notwendig. Weder Beweisanträge „ins Blaue hinein“ noch „Ausforschungsanträge“ sind zulässig. Die Beteiligten dürfen sich nicht darauf verlassen, dass der Vorsitzende alles vorformulieren wird.
e) Bei sachkundiger Vertretung mindert sich für das Gericht der Umfang der Hinweispflicht nach § 76 Abs. 2 FGO. Die Diskussion der Rechtsansicht des Gerichts ist zwar in der mündlichen Verhandlung zwingend, nicht aber vor der mündlichen Verhandlung.
f) Die Zurückweisung von Erklärungen und Beweismitteln wegen Verspätung ist gem. § 79b Abs. 3 FGO nur dann zulässig, wenn die verspätete Einreichung nach Auffassung des Gerichts zu einer Verzögerung des Verfahrens führen würde. Eine Verfristung tritt nach der Rechtsprechung des BFH nur dann ein, wenn schon terminiert ist, aber nicht dann, wenn erst fünf Jahre nach Ablauf der Ausschlussfrist der Termin für mündliche Verhandlung angesetzt ist und die Erklärung oder Angabe der Beweismittel drei Wochen nach Ablauf der Ausschlussfrist bei Gericht eingeht.
g) Ein besonderes Problem ist die Verlegung eines Termins zur mündlichen Verhandlung. Die Verlegung steht im Ermessen des Gerichts. (§ 155 FGO, § 227 Abs. 1, 2 ZPO). Der Beteiligte, der die Verlegung beantragt, muss erhebliche Gründe für die Verlegung vortragen. Diese Gründe sind glaubhaft zu machen, wenn dies verlangt wird. Bei einer Sozietät ist der Grund nur schwer darzulegen. Denn die anderen Sozien müssen ebenfalls verhindert sein – z. B. aufgrund früher angesetzter anderer Termine. Der Einwand bei Sozietäten, es gebe nur einen Sachbearbeiter, wird nur in Ausnahmefällen akzeptiert, z. B. wenn die Sozietät zu spät vom Mandanten beauftragt wurde oder ein Wechsel des Bevollmächtigten stattfand. Bei Krankheit des Anwalts ist ein ärztliches Attest vorzulegen. Im Urlaubsfall sind dem Gericht die Reiseunterlagen zuzusenden.
h) Das Gericht trägt den wesentlichen Inhalt der Akten in der mündlichen Verhandlung vor (§ 92 FGO). Hier sollten die Beteiligten und ihre Anwälte zuhören! Aus der Formulierung ist zu entnehmen, welche Tendenz das Gericht in der Sache haben wird. Die Beteiligten haben anschließend die Möglichkeit, in der mündlichen Verhandlung einen Terminvertagungsantrag zu stellen, wenn Tatsachen neu sind oder so noch nicht erörtert wurden. In der mündlichen Verhandlung können die Beteiligten rügen, dass ein Beweismittel nicht angenommen wird, z. B. dass ein benannter Zeuge nicht gehört wird. Es besteht die Möglichkeit, einen Hilfsantrag zu stellen. Rüge und Hilfsantrag sollten die Beteiligten in das Protokoll aufnehmen lassen, weil sie für die Revision bei dem BFH oder für die Nichtzulassungsbeschwerde wichtig sind und nicht nachgeholt werden können.
i) Bei Klagerücknahme kann nicht beantragt werden, die Kosten dem Beklagten aufzuerlegen (§ 136 Abs. 2 FGO) Die Kosten hat Kläger zu tragen. Bei der Beendigung des Verfahrens durch Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache entscheidet das Gericht über die Kosten durch Beschluss (§ 138 Abs. 1 FGO). In besonderen Fällen können auch der obsiegenden Partei die Kosten auferlegt werden (§ 137 FGO).
j) Zum Schluss gab Prof. Stapperfend noch den Tipp, bei entsprechendem Ergebnis des Verfahrens in das Protokoll aufnehmen zu lassen: „Hiermit ändert der Beklagte den Steuerbescheid vom …. wie folgt ab: …….….“ – Dann ist eine zusätzliche Erledigungserklärung nach Erlass eines geänderten Steuerbescheides durch das FA nicht erforderlich.
2. Anschließend betrachtete Dr. Michael Streck, RA und Fachanwalt für Steuerrecht, Partner der Sozietät Streck, Mack Schwedhelm, Köln München Berlin, das Finanzgerichtsverfahren und die mündliche Verhandlung aus der Sicht des Rechtsanwalts gegliedert nach den Themen Überlegungen vor dem Steuerstreit, Prozessbevollmächtigter und Finanzgericht, Klagebegründung, Handeln im „Wartestand“, die mündliche Verhandlung und Erledigung der Hauptsache. Im Folgenden werden nur ausgewählte Ausführungen wiedergegeben.
a) Vor dem Steuerstreit kommen folgende Überlegungen zum Tragen: Ändert sich die Rechtsprechung während des lange dauernden Finanzgerichtsprozess zugunsten des Steuerpflichtigen, so gewinnt er den Prozess ohne Zutun. Die Offenhaltung des Falles ist daher ratsam.
b) Zwischen Richtern und Rechtsanwälten gibt es keine Hierarchie: Sie verhandeln auf gleicher Augenhöhe. In diesem Punkt bestand bei beiden Referenten Übereinstimmung.
c) Hinsichtlich der Klagebegründung ist die wichtigste Regel, dass der Sachverhalt klar dargestellt wird. Darüber wird die Klage gewonnen, nicht allein über Rechtsausführungen. Der Sachverhalt muss streitig bleiben. Unstreitige Sachverhaltsteile führen zum Unterliegen im Prozess. Die Klagebegründung richtet sich an Menschen. Sie muss unterhaltsam und kurz gefasst sein und in den ersten fünf Sätzen den Richter interessieren. Die Klagebegründung muss mit Richtung zum Gericht geschrieben werden, nicht zum Gefallen des Mandanten.
d) Nach Einreichung der Klagebegründung muss der Prozessbevollmächtigte aktiv bleiben. Beantragt er Akteneinsicht, sollte er die Akten selbst lesen, um Hinweise auf und für das Verfahren zu erhalten. Diese Tätigkeit sollte nicht delegiert werden. Mit dem gerichtlichen Berichterstatter kann ein Erörterungstermin für die Sachverhaltsermittlung abgestimmt werden. Dieser ist gut vorzubereiten und die Möglichkeit einer Einigung in Erwägung zu ziehen. Zu beachten ist, dass nach der FGO im Erörterungstermin das Urteil gefällt werden kann. Das nutzen Berichterstatter gerne aus.
e) In der mündlichen Verhandlung besteht die Chance, den Fall zugunsten des Klägers zu beeinflussen, wenn sie sorgfältig vorbereitet ist. Der Prozessbevollmächtigte sollte unbedingt seine Akten und Schriftsätze kennen. Nach § 52 Abs. 2 FGO kann die Öffentlichkeit auf Antrag ausgeschlossen werden. Dadurch kann vermieden werden, dass ein Steuerfahnder oder Betriebsprüfer als Streithelfer in der mündlichen Verhandlung anwesend ist. Dem richterlichen Ratschlag, z. B. einen Sachverhalt unstreitig zu stellen, ist mit Vorsicht zu begegnen. Oft liegt er nicht im Interesse des Mandanten. Der Kläger sollte sich nicht zum Vergleich drängen lassen. Denn wer zum Vergleich gedrängt wird, muss nachgeben, weil er die besseren Aussichten auf Erfolg hat. Das Plädoyer am Schluss der mündlichen Verhandlung sollte keine Wiederholung des Klagevortrages sein. Hier können in lebendiger Weise auch andere Dinge vorgebracht werden. Die Anträge sollten zuerst gestellt und dann erst sollte plädiert werden. Beweisanträge sollten gestellt und es sollte auch gerügt werden, dass diesen nicht nachgekommen wurde.
f) Wird der Rechtsstreit durch tatsächliche Verständigung oder gerichtliche Entscheidung erledigt, empfiehlt sich, erst dann die Erledigung zu bestätigen, wenn die Steuerbescheide wie vereinbart oder gerichtlich beschlossen, geändert wurden und beim Steuerpflichtigen oder dessen Rechtsanwalt eingegangen sind.
VI. Selbstanzeige
Über erste Praxiserfahrungen aus Sicht der Finanzverwaltung nach der Reform der Selbstanzeige berichtete Max Rau, Leitender Regierungsdirektor, Vorsteher des FA für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Köln.
Zu der neuen Fassung des § 371 AO gibt es noch keine gesicherte Rechtsprechung.
Jedoch ist durch die Gesetzesänderung (Schwarzgeldbekämpfungsgesetz vom 28.04.2011, in Kraft getreten am 3.5.2011) und den BGH-Beschluss vom 20.05.2010 die Gefahr der Abgabe einer verunglückten Selbstanzeige stark gestiegen.
Der Beschuss des BGH traf auf eine Flut von Verfahren nach Selbstanzeigen wegen des Kaufs einer CD mit Kundendaten einer Schweizer Bank durch die Finanzverwaltung Anfang des Jahres 2010. Die sich daraus ergebende Frage, ob in diesen laufenden Verfahren Vertrauensschutz wegen der bisherigen günstigeren Rechtsprechung in Anspruch genommen werden konnte, war mit nein zu beantworten, weil im Strafrecht der Vertrauensschutz nicht gilt.
Der Gesetzgeber hat zur Lösung der Vertrauensschutzproblematik eine differenzierte Übergangsregelung in § 24 EGAO eingeführt. Danach gilt für Selbstanzeigen bis zum 28.04.2011 die bisherige Rechtslage des § 371 AO. Für den Zeitraum 29.04.2011 bis 02.05.2011 besteht die bisherige Rechtslage unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH. Ab dem 03.05.2011 greift die neue Fassung des § 371 AO ein.
Selbstanzeigen nach dem 03.5.2011 müssen zwingend vollständig sein. Die sog. gestufte Selbstanzeige führt nicht mehr zur Straffreiheit. Wenn auch nur ein kleiner Teil übersehen und nicht mitgeteilt wird, ist die gesamte Anzeige als nicht vollständig erfasst und Strafbarkeit tritt trotzdem ein. Die Rückkehr zur Steuerehrlichkeit ist demnach erheblich erschwert. Durch die Gesetzesänderung ist seit dem 03.05.2011 die gestufte oder wirksame Teilselbstanzeige gesetzlich ausgeschlossen.
Die Selbstanzeige ist unwirksam, wenn die Sperrgründe des § 371 Abs. 2 AO eingreifen. Ein Sperrgrund ist z. B. das Überschreiten des Betrages von 50.000 Euro je Tat.
VII. Erbschaftsteuer
Zu dem seit dem 1.1.2009 geltenden Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz liegen Ländererlasse vom Juni 2009 und Oktober 2010, Verwaltungsanweisungen vom Januar 2011 sowie ein Entwurf der Erbschaftsteuer-Richtlinien 2011 vom 01.08.2011 vor. Die sich daraus ergebende „aktuelle Entwicklung der „neuen“ Erbschaftsteuer“ hinsichtlich der Bereiche Poolvereinbarungen, Nachfolge in Gesellschafterstellung, „Cash“-Gesellschaft und zu Einzelaspekten wie Wohnungsunternehmen und disquotale Einlage stellte Susanne Thonemann-Micker, LL.M., Rechtsanwältin und Fachanwältin für Steuerrecht, S&P Söffing Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Düsseldorf, vor.
Unter welchen Voraussetzungen die Steuervergünstigungen gem. § 13 b Abs. 1 ErbStG mittels Poolvereinbarungen erlangt werden können, welche Folgen die Aufhebung der Poolvereinbarung hat, wie Poolvereinbarungen bei Beteiligungsketten wirken und welche Voraussetzungen für den Verlustabzug gemäß § 8c KStG erfüllt sein müssen, war Gegenstand des ersten Teils des Vortrags. Frau Thonemann-Micker sprach sich dafür aus, § 8c KStG nicht auf Poolvereinbarungen anzuwenden.
Um die erbschaftsteuerlichen Auswirkungen der Nachfolge in eine Gesellschafterstellung und die Gewährung der Steuerbegünstigungen nach § 13 a und b ErbStG feststellen zu können, ist danach zu unterscheiden, ob Anteile an einer Personen- oder Kapitalgesellschaft übergehen. Bei Personengesellschaften ist nun die erbschaftsteuerliche Begünstigung im Rahmen von Teilungsanordnungen und Erbauseinandersetzungen zu berücksichtigen. Dabei kommt der Art der Nachfolgeklausel wesentliche Bedeutung zu.
Bei der sog. „Cash“-Gesellschaft besteht das Betriebsvermögen im Wesentlichen in Geld. Geld ist jedoch kein Verwaltungsvermögen i. S. d. ErbStG. Die Verwendung von Geld in einer Gesellschaft ist im Rahmen des ErbStG unschädlich. Hierzu bieten sich verschiedene Gestaltungsvarianten an, deren Grenze allerdings von § 42 AO bestimmt wird. Frau Thonemann-Micker empfahl, keine „100% Cash-GmbH“ zu verwenden. Es sollte immer operatives Vermögen beigemischt werden, z. B. operativ tätige Gesellschaften im Zusammenhang mit Geldvermögen übertragen werden.
Für die Frage der Möglichkeit der steuerbegünstigten Übertragung von Wohnungsunternehmen kommt es auf die Abgrenzung von Verwaltungs- und Betriebsvermögen an. Die Richtlinien enthalten Indizien für einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Die Vergünstigung setzt das Erfordernis eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs voraus.
Die disquotale Einlage in eine Kapitalgesellschaft sieht der BFH als Leistung an die Gesellschaft an. Aufgrund der vom Bundesrat noch zu beschließenden Gesetzesänderung wird eine solche Einlage in die Kapitalrücklage künftig schenkungsteuerpflichtig sein.
VIII. Besteuerung gemeinnütziger Vereine und Körperschaften
Für die Zuhörer, die gemeinnützige Vereine und Körperschaften beraten oder sich in ihnen als Mitglied oder Vorstand engagieren, hielt Dr. Jörg Alvermann, RA und Fachanwalt für Steuerrecht, Kanzlei Streck Mack Schwedhelm, Köln, einige Neuigkeiten zu ausgewählten Steuerproblemen hinsichtlich der Mitgliedsbeiträge, der Satzung, der Sphärenabgrenzung Vermögensverwaltung-wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb-Zweckbetrieb, Mittelverwendung und Steuerbefreiung des Sports bereit.
Die Unterscheidung zwischen echten, nicht umsatzsteuerbaren und unechten, umsatzsteuerbaren Mitgliedsbeiträgen von Vereinen ist seit dem EuGH-Urteil vom 21.03.2002 (Rs. C-174/00, UR 2002, 320 ff. mit Anmerkg. Widmann) nicht mehr aufrechtzuerhalten. Umsatzsteuerbar sind Mitgliedsbeiträge dann, wenn der Verein seine Einrichtungen oder sonstige Vorteile dauerhaft für seine Mitglieder bereitstellt, die durch die Mitgliedsbeiträge vergütet werden. Ob das Mitglied von diesen Möglichkeiten Gebrauch macht, ist nicht relevant. Noch besteht für alle Vereine, die an der bisherigen Praxis festhalten wollen, Vertrauensschutz, weil die Finanzverwaltung im UStAE die bisherige Unterscheidung zwischen echten und unechten Mitgliedsbeiträgen aufrechterhält.
In der Satzung muss die Zahlung von Vergütungen an Vorstandsmitglieder positiv geregelt sein. Das gilt auch für die Erstattung von Fahrtkosten. Die Folge bei Verstoß ist der Verlust der Gemeinnützigkeit. In der Regel werden Verstöße bei einer Betriebsprüfung aufgedeckt. Hierbei ist zu unterscheiden: Die seit 2008 eingeführte Ehrenamtspauschale gemäß § 3 Nr. 26a EStG in Höhe von 500 Euro pro Jahr darf nicht an Vorstandsmitglieder gezahlt werden, wenn in der Satzung steht, dass der Vorstand ehrenamtlich und unentgeltlich tätig ist. Die Übungsleiterpauschale gemäß § 3 Nr. 26 EStG gilt nicht für Vorstandsmitglieder, wenn sie für deren Zeitaufwand gezahlt wird.
Der Wortlaut der Mustersatzung in Anlage 1 zu § 60 AO ist seit dem JStG 2009 verbindlich vorgeschrieben und muss zwingend wörtlich in die Satzung aufgenommen werden. Nach den Übergangsbestimmungen musste ein Verein seine Satzung nicht anpassen, wenn er bereits vor dem 31.12.2008 als gemeinnützig anerkannt war. Bei einer danach erfolgenden Satzungsänderung wegen anderer Punkte muss auch diese Änderung durch Anpassung an die Mustersatzung vorgenommen werden.
Nach der „Gepräge-Rechtsprechung“ des BFH ist die Gemeinnützigkeit des Vereins in Gefahr, wenn der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb zum Selbstzweck wird und dem gemeinnützigen Zweck nicht mehr untergeordnet ist. Daher hat die Abgrenzung zwischen der Vermögensverwaltung und dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb besondere Bedeutung. Anhand der Beispiele Vermietung und Verpachtung, Beteiligungen an Gesellschaften und Sponsoring legte Dr. Alvermann die Probleme und Auswirkungen der Abgrenzung dar.
Die Gemeinnützigkeit kann dem Verein entzogen werden, wenn die Mittel nicht für die gemeinnützigen Zwecke des Vereins verwendet werden. Verluste werden als Mittelfehlverwendung angesehen. Der Verein muss daher den Nachweis erbringen, dass die wirtschaftliche Betätigung von Anfang an mit Gewinnerzielungsabsicht erfolgte, obwohl dieses im Gesetz nicht gefordert wird. Außerdem sind die Mittel des Vereins zeitnah für die gemeinnützigen Zwecke zu verwenden. Eine „Eichhörnchenmentalität“ ist nicht angebracht. Rücklagen dürfen nur ausnahmsweise gebildet werden. Die Finanzverwaltung setzt für die Mittelverwendung Fristen.
Dr. Alvermann schloss seinen Vortrag mit Hinweisen zur Befreiung von Dienstleistungen im Bereich des Sports von der Umsatzsteuerpflicht. (§ 4 Nr. 22 UStG) So ist Sportunterricht durch einen gemeinnützigen Verein von der Umsatzsteuer zu befreien, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind (BFH v. 2.3.2011 – XI R 21/09, UR 2011, 589ff.)
Sabine Unkelbach-Tomczak, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Steuerrecht, LSV Rechtsanwalts GmbH, Frankfurt