AG Steuerrecht im DAV – STAI 2023 auf Mallorca
Steueranwaltstag International auf Mallorca vom 18. bis 20. Mai 2023
Nachdem das bisherige Tagungshotel im Herbst 2022 geschlossen wurde, fand das Seminar “Steueranwaltstag International 2023“ (STAI) auf der spanischen Insel Mallorca zum ersten Mal im ebenfalls direkt am Meer gelegenen Hotel Europe Playa Marina in Illetas statt.
Zu insgesamt neun aktuellen Themen brachten die Teilnehmer ihre Kenntnisse über internationale Entwicklungen in Gesetzgebung, Rechtsprechung und Finanzverwaltung hinsichtlich verschiedener Steuerarten auf den neuesten Stand.
Aktueller Überblick zum Internationalen Steuerrecht
Mit seinem Vortrag „Aktueller Überblick zum Internationalen Steuerrecht“ gab Universitäts-Professor Dr. habil. Bert Kaminski, Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre und betriebswirtschaftliche Steuerlehre, Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr, Hamburg, den Auftakt der Veranstaltung.
Er stellte die aktuellen Entwicklungen hinsichtlich der internationalen Organisationen wie der OECD, des DBA-Rechts, der deutschen Gesetzgebung, der Rechtsprechung und der Finanzverwaltungsanweisungen vor.
Hervorzuheben ist das „Zwei-Säulen-Modell“ der OECD („Pillar One“ und „Pillar Two“), mit dem künftig unabhängig von der „physischen“ Anwesenheit eines Unternehmens in einem bestimmten Staat dessen Einkünfte aus digitalen Produkten in diesem Staat besteuert werden sollen. Nach dem Mindestbesteuerungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz (MinBestRL-UmsG) vom 20.3.2023 sind von der neuen Mindestbesteuerung Unternehmensgruppen, "die die jährliche Umsatzgrenze von 750 Millionen € oder mehr in mindestens zwei der letzten vier Konzernabschlüsse erreichen", betroffen. Der Mindeststeuersatz beträgt 15 %. Für Geschäftsjahre, die nach dem 30.12.2023 beginnen, ist der jährliche Mindeststeuerbericht bei dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) einzureichen. Wird der Mindeststeuersatz in dem jeweiligen Land nicht erreicht, wird eine Ergänzungsteuer erhoben.
Der Bekämpfung der Steuervorteile für „Briefkastenfirmen“ dient jetzt die neue Unshell-Richtlinie, welche die ATAD 3-Richtlinie ersetzt.
Hinsichtlich der Änderungen der Deutschen DBA einschließlich der dazu bestehenden Protokolle und Notenwechsel weist Professor Kaminski auf das BMF-Schreiben vom 18.01.2023 hin. Zur Grenze der Bindungswirkung nimmt das BFH-Urteil vom 28.6.2022, I R 24/21, Stellung.
Die Bedeutung des OECD-Musterabkommens zur Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen ist Gegenstand des BFH-Urteils vom 11.07.2018, I R 44/16, sowie des neuen BMF-Schreibens vom 19.04.2023.
Zur neueren Gesetzgebung stellte Professor Kaminski das Jahressteuergesetz 2022 vom 16.12.2022 mit seinen wesentlichen Änderungen vor, ging dann auf das sogenannte DAC-Umsetzungsgesetz vom 20.12.2022 ein (Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und Modernisierung des Steuerverfahrensrechts und Plattformen- Steuertransparenzgesetz (PStTG)) und erläuterte schließlich die Verschärfungen der Funktionsverlagerungsverordnung vom 26.10.2022 und die neuen Bestimmungen zur Offenlegung von Ertragsteuerinformationen (Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie EU 2021/2101)
Als aktuelle Schwerpunkte bei dem Abschnitt Rechtsprechung erörterte Professor Kaminski das BFH-Urteil vom 01.06.2022 (I R 3/18, BStBl. II 2023, 230) zur Wesentlichkeitsgrenze im Sinne von § 1 Abs. 3 EStG, den BFH-Beschluss vom 06.11.2019 (I R 32/18, BStBl. II 2021, 68) und das Urteil vom 22.02.2023 (I R 32/18, DStR 2023, 877) sowie das EuGH-Urteil vom 22.09.2022 (C-538/20) zur Berücksichtigung von Verlusten aus ausländischen Betriebsstätten. Außerdem stellte er die Neuregelung zur Rückkehrabsicht bei der Wegzugsbesteuerung in § 6 AStG n.F. mit BFH-Urteil vom 21.12.2022 (I R 55/19, IStR 2023, 324), das aktuelle BFH-Urteil vom 01.06.2022 (I R 30/18, BStBl. II 2023, 29) zur Meistbegünstigung, Neues zum Vorliegen einer Betriebsstätte im Sinne von § 12 AO (BFH-Urteil vom 23.03.2022, III R 35/20, BStBl. II 2022, 844), das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg bei doppelt ansässigen Kapitalgesellschaften (BFH vom 28.06.2022, I R 43/18, BFH/NV 2022, 1383) und schließlich die Rechtsprechung zur Erbschaftsteuer dar (BFH-Urteil vom 12.10.2022, II R 5/20, BFH/NV 2023, 320; BFH-Urt. v. 23.11.2022, II R 37/19, DStR 2023,443).
Bei den Neuigkeiten aus der Finanzverwaltung ging es im Wesentlichen um den Auslandstätigkeitserlass (BMF-Schreiben vom 10.06.2022, BStBl. I 2022, 997).
Beseitigung von „Mäanderstrukturen" als Verkürzung von Beteiligungsketten im internationalen Kontext
Dr. Stephan Salzmann, Rechtsanwalt, Steuerberater, setzte sich mit der Frage auseinander, ob und wie „im internationalen Kontext „Mäanderstrukturen“ bei Inbound- und- und Outbound-Fällen beseitigt“ werden können und welche Folgen dabei eintreten.
Zunächst erläuterte er den Begriff „Mäander“, mit dem eine Flussschlange bezeichnet wird, welche bildlich einem „hin und her-Verlauf" entspricht.
Mäanderstrukturen „inbound" können beispielsweise durch den Erwerb einer deutschen Unternehmensgruppe mit ausländischen Tochtergesellschaften entstehen. Fraglich ist die Möglichkeit der steuerfreien Beseitigung dieser Struktur.
Dafür kommt beispielsweise die Veräußerung oder eine verdeckte Einlage der Beteiligung in eine andere Kapitalgesellschaft in Betracht. Anschließend kann eine steuerneutrale Verschmelzung durchgeführt werden. In Betracht kommt auch die Veräußerung oder Ausschüttung von Anteilen an der ausländischen Gesellschaft durch Sachdividende durch die GmbH. Diese Variante ist jedoch möglicherweise mit steuerlichen Nachteilen verbunden. Als weiterer Beseitigungsweg kommt eine Verschmelzung der GmbH auf die ausländische Gesellschaft in Betracht. Im Ergebnis ist eine Beseitigung ohne Aufdeckung der stillen Reserven nicht möglich.
Auch Mäanderstrukturen „Outbound“ entstehen in der Regel nicht zielgerichtet, zum Beispiel auch nicht, wenn sich ein Holdingstandort im EU-oder EWR-Ausland befindet. Das Hin- und Herschieben von Dividenden oder Veräußerungserlösen über die Grenze führt allenfalls zu einem Steueraufschub, nicht jedoch zu einer Steuerentlastung. Die Beseitigung kann beispielsweise erreicht werden durch die Veräußerung oder Ausschüttung der Anteile an der GmbH durch Sachdividende durch die ausländische Gesellschaft, durch Verschmelzung oder durch Vereinigung der Gesellschaftsanteile in einer Hand. Im Ergebnis ist auch hier die Beseitigung der ausländischen Gesellschaft als Anteilseignerin der deutschen GmbH nicht ohne steuerliche Nachteile (Aufdeckung der stillen Reserven) durchführbar.
Als Fazit stellt Dr. Salzmann fest, dass die Auflösung von Mäanderstrukturen bei Inbound- und Outbound-Fällen mit keinem steuerlichen Vorteil im Sinne des § 138d Abs. 3 S. 1 AO verbunden ist.
Die Anzeigepflichten des „Intermediärs" nach der Richtlinie DAC 6 (Übermittlung des Inhalts der Steuergestaltung mit Registrier- und Offenlegungsnummer) ohne dafür erforderliche Entbindung von der Pflicht zur Verschwiegenheit durch den Mandanten führt zu einer Offenlegung des Mandantenverhältnisses und somit zur tatsächlichen Beseitigung des Mandatsgeheimnisses bei diesen Beratungstätigkeiten.
Dadurch ergeben sich Verfassungsverstöße sowohl in Deutschland als auch auf Ebene der EU.
Gestaltungsüberlegungen „Cross Border“ zur Vorsorge für eine mögliche Vermögensabgabe
Ausgehend von der derzeitigen erneut hohen Staatsverschuldung i.H.v. 2,57 Billionen Euro und der Staatsschuldenquote von 66,4 % überlegte Dr. Matthias Söffing, Rechtsanwalt Fachanwalt für Steuerrecht, S&P Söffing Kranz Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Düsseldorf, mit welchen Mitteln diese Schulden bezahlt werden können. In Betracht kommt eine Währungsreform oder die Wiedereinsetzung der Vermögensteuer.
Für den Fall, dass das Vermögensteuergesetz alter Fassung wieder zur Anwendung kommt, entwickelte Dr. Söffing verschiedene „Gestaltungsüberlegungen „Cross Border“ zur Vorsorge für eine mögliche Vermögensabgabe“.
Zunächst erläuterte er die Grundstruktur des Vermögensteuergesetzes alter Fassung, dessen Anwendung aufgrund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts seit 1996 ausgesetzt ist, unter Einbeziehung der Steuerpflicht, des Steuersatzes, der Bemessungsgrundlage und des internationalen deutschen Steuerrechts. Anhand von verschiedenen Beispielsfällen zeigte er, wie grenzüberschreitende Gestaltungen nach dem Vermögensteuergesetz alter Fassung zu besteuern wären.
Seiner Ansicht nach sollte die Entwicklung eines Gestaltungsansatzes von drei grundsätzlichen Überlegungen ausgehen: Schaffung einer beschränkten Steuerpflicht, kein Bezug zu einem unbeschränkt Steuerpflichtigen und Inlandsvermögen. Demgemäß entwickelte er im Folgenden anhand von Beispielen verschiedene grenzüberschreitende Gestaltungsansätze unter Einbeziehung von Immobilienvermögen und deren Auswirkung auf eine etwaige Vermögensteuer.
Sein Fazit war, dass für inländisches Grundvermögen die Pflicht zur Entrichtung von Vermögensteuer wohl kaum vermeidbar sein wird.
Anwendungsfragen zur Besteuerung eines Trusts im deutschen Steuerrecht
Bevor Dr. Michael Tischendorf, Maitre en droit, Rechtsanwalt, Steuerberater, Poellath Plus, München, sich mit den „Anwendungsfragen zur Besteuerung eines Trusts im deutschen Steuerrecht" beschäftigte, gab er einen Überblick darüber, was ein Trust ist und welche Typen von Trusts es gibt.
Es handelt sich um eine Rechtskonstruktion des angloamerikanischen Rechtskreises ohne eigene Rechtspersönlichkeit, welche es in den meisten kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen nicht gibt.
Durch das Haager Trustübereinkommen (HTÜ) von 1985 wird das auf Trusts anzuwendende Recht und die Anerkennung von Trusts geregelt. Deutschland ist diesem Abkommen nicht beigetreten mit der Folge, dass "aus deutscher Sicht Unsicherheiten in Bezug auf die kollisionsrechtliche Behandlung von Trusts besteht".
Im Folgenden erörterte er die kollisionsrechtliche Behandlung von zwei verschiedenen Typen des Trusts, die gesellschaftsrechtliche Anknüpfung eines Trusts und die Wirkungen und Reichweite eines Trustsstatuts.
Ferner ging er auf die Beurteilung des BFH vom 05.11.1992, I R 39/92, hinsichtlich der Transparenz und der Intransparenz eines Trusts ein und erläuterte die steuerlichen Folgen jeweils für transparente und intransparente Trusts.
Die steuerlichen Folgen ergeben sich aus der anschließend vorgestellten Rechtsprechung des BFH zur Transparenz oder Intransparenz eines Trusts, zur Frage der Zwischenberechtigung ohne gesicherten Rechtstitel und zum Erwerbszeitpunkt bei Auflösung eines Trusts sowie der Urteile zweier FG zur Unionsrechtswidrigkeit der Zurechnungsbesteuerung und zur Einkommensteuerbarkeit von Auskehrungen bei Auflösung eines Trusts.
Offen sind noch Fragen zur Vermögensbindung, zur Anrechnung von bei Errichtung gezahlter Schenkungsteuer, zu Wahlrechten nach Art. 12 Abs. 3 DBA USA, für Doppelbesteuerung und zum Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit.
Aktueller Überblick zu Fragen der internationalen Amts- und Rechtshilfe im Steuer- und Steuerstrafrecht
In ihrem „Überblick zur internationalen Amts- und Rechtshilfe“ erklärte Stefanie Schott, Rechtsanwältin Fachanwältin für Strafrecht und Steuerrecht, Kipper + Durth Rechtsanwälte GbR, Darmstadt, zuerst, was unter diesen Begriffen zu verstehen ist, und ging dann auf die verschiedenen Formen der internationalen, insbesondere der europäischen Zusammenarbeit ein.
Zu beachten ist, dass wegen des Territorialitätsprinzips Behörden und Gerichte bei ihren Ermittlungen auf das eigene Staatsgebiet beschränkt sind. Sind grenzüberschreitende Ermittlungen durchzuführen, müssen sie in den anderen, ebenfalls betroffenen Staaten Amts- und Rechtshilfe beantragen.
Zum Verständnis der unterschiedlichen Zuständigkeiten bei den Ermittlungen tragen die Definitionen der Amtshilfe und der Rechtshilfe erheblich bei. Gehen aus anderen Staaten Ersuchen ein, ist die Rechtshilfe jede Unterstützung, die für ein in einem anderen Staat anhängiges Verfahren in einer strafrechtlichen Angelegenheit gewährt wird, unabhängig davon, ob das Verfahren von einem Gericht oder einer anderen Behörde betrieben wird und ob die Rechtshilfe von einem Gericht oder von einer anderen Behörde zu leisten ist. (§ 59 Abs. 2 IRG) Bei ausgehenden Ersuchen stellen in umgekehrter Richtung deutsche Gerichte und Behörden derartige Ersuchen in Strafverfahren auch an andere Staaten.
Allerdings kann Rechtshilfe in Steuerstrafsachen erst angefragt werden, wenn ein Steuerstrafverfahren förmlich eingeleitet wurde. Demgegenüber kommt bei Vorermittlungen und Vorfeldermittlungen nur Amtshilfe und polizeiliche Rechtshilfe in Betracht.
Zu unterscheiden sind die Rechtshilfe und die Amtshilfe in Steuersachen.
Nach der Definition liegt zwischenstaatliche Amtshilfe vor, wenn Behörden und Gerichte für Zwecke des Besteuerungsverfahrens Informationen austauschen. Dabei ist maßgebend, ob der Austausch für den Zweck des Steuerverfahrens oder für den Zweck des Strafverfahrens stattfindet, nicht, wer die Informationen anfragt oder beschafft.
Zu unterscheiden ist bei der internationalen Rechtshilfe zwischen der justiziellen und der polizeilichen Rechtshilfe. Die polizeiliche Rechtshilfe kann sowohl in Vorermittlungen und zu präventiven Zwecken als auch in einem bereits eingeleiteten Strafverfahren gestellt und beantwortet werden. Die justizielle Rechtshilfe wird in allen anderen Fällen der Leistung von Rechtshilfe gestellt. Die justizielle Rechtshilfe wird zwischen den Justizbehörden geleistet, also in der Regel zwischen Gerichten, Staatsanwälten und selbständig tätigen Finanzbehörden.
Neu ist die Europäische Staatsanwaltschaft (EUStA), welche ihre Arbeit im Juni 2021 in 22 teilnehmenden EU-Ländern aufgenommen hat. Diese ist eine eigenständige unabhängige Behörde und die zentrale Staatsanwaltschaft der Europäischen Union. Sie ist befugt, Straftaten gegen den EU-Haushalt wie Betrug, Korruption und schweren grenzüberschreitenden Mehrwertsteuerbetrug zu verfolgen. Sie ist weder an Weisungen der EU noch an Weisungen der nationalen Behörden gebunden. (Art. 6 Abs. 1 EUStA-VO)
Konvergenzkriterien im deutschen internationalen Steuerrecht
In seinem zweiten Vortrag erläuterte Universitäts-Professor Dr. habil. Bert Kaminski die „Konvergenzkriterien im deutschen internationalen Steuerrecht“.
Ausgangslage ist die aufgrund des BEPS-Aktionsplans der OECD erlassene Anti-Steuervermeidungsrichtlinie der EU (ATAD) und die in diesem Zusammenhang festgestellten positiven und negativen Qualifikationskonflikte.
Im Falle der positiven Qualifikationskonflikte beanspruchen beide EU-Mitgliedsstaaten das Recht zur Besteuerung eines Sachverhalts mit der Folge der Doppelbesteuerung trotz Vorliegens eines DBA.
Bei den negativen Qualifikationskonflikten billigt jeder EU-Mitgliedsstaat dem jeweils anderen Vertragsstaat das Besteuerungsrecht zu, was zu einer Nichtbesteuerung oder zumindest zu einer deutlich geringeren Besteuerung in beiden Vertragsstaaten führt.
Die sich auf diese Weise für grenzüberschreitende Sachverhalte ergebenden „Besteuerungsinkongruenzen" sollen vermieden werden. Die in diesem Zusammenhang relevanten Fallgruppen hybrider Gestaltungen werden in Art. 2 der ATAD aufgezählt. In den Anwendungsbereich fallen nur Zahlungen zwischen verbundenen Unternehmen oder "strukturierte Gestaltungen". Dazu gehören beispielsweise der doppelte Abzug von Betriebsausgaben und der Abzug von Betriebsausgaben wegen unterschiedlicher Zuordnungen von Zahlungen an Betriebsstätten.
Deutschland hat aufgrund dieser Problematik im ATAD-Umsetzungsgesetz vom 30.06.2021 (BGBl. I 2021, 2035) § 4k mit Regelungen zum "Betriebsausgabenabzug bei Besteuerungsinkongruenzen" in das Einkommensteuergesetz eingefügt.
§ 4k Abs. 1 bis Abs. 3 EStG erfasst die Fälle von Deduction/Non-Inclusion-Inkongruenzen. Abs. 4 regelt Fälle der Double Deduction-Inkongruenzen ohne Dual-Inclusion Income. In Abs. 5 als Auffangvorschrift sind Bestimmungen zu „importierten" Besteuerungsinkongruenzen enthalten. Anzuwenden sind gemäß Abs. 6 die Bestimmungen in Abs. 1 bis Abs. 5, wenn der Tatbestand dieser Absätze zwischen nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Abs. 2 AStG oder zwischen einem Unternehmen und seiner Betriebsstätte verwirklicht wird oder wenn eine strukturierte Gestaltung anzunehmen ist. Nach Abs. 7 sind die Absätze 1 - 6 vorrangig vor den Vorschriften eines DBA anzuwenden (sog. Treaty Override).
Professor Kaminski stellte im Folgenden anhand von Beispielen dar, worum es bei den Deduction/Non-inclusion-Inkongruenzen und den Double Deduction-Inkongruenzen geht und wie diese durch § 4k EStG vermieden werden sollen.
Er schloss seinen Vortrag mit Hinweisen zu verfahrensrechtlichen Fragen bezüglich der Beweislast und ihrer praktischen Umsetzung sowie zur Ergänzung für beschränkt Steuerpflichtige nach § 49 Abs. 1 Nr. 11 EStG ab.
40 Jahre Steuerstreit um In- und Auslandsfälle - was hat sich geändert, was ist geblieben?
Dr. Rolf Schwedhelm, Rechtsanwalt Fachanwalt für Steuerrecht, Streck Mack Schwedhelm, Rechtsanwälte Steuerberater Partnerschaft mbB, Köln, berichtete über "40 Jahre Steuerstreit um In- und Auslandsfälle - was hat sich geändert, was ist geblieben".
Er schilderte anhand von Beispielen, wie sich Steuerstreitigkeiten entwickeln können:
Ein Steuerstreit im Jahre 1980 bezüglich eines grenzüberschreitenden Sachverhalts Deutschland-Niederlande führte zur Steuerfreiheit von Zinsen. Die Finanzverwaltung nahm für die Zinsen vGA an. Im BMF-Schreiben vom 16.03.1987 (BStBl. I 1987, 373) stand: „Gestaltungsmissbrauch, wenn Eigenkapital in einem auffallenden Missverhältnis zum Aktivvermögen steht. Davon ist auszugehen, wenn Eigenkapital nicht größer 10 %." Nach dem Rechtsstreit lautete das Ergebnis des BFH-Urteils vom 05.02.1992 (I R 127/90, BStBl. II 1992, 532): „Keine gesetzliche Grundlage für die Annahme, dass eine Kapitalgesellschaft über das gesicherte Kapital hinaus mit einer bestimmten Eigenkapitalquote ausgestattet sein muss." Der Gesetzgeber erließ § 8a KStG (StandOG vom 13.9.1993), welcher auch nach verschiedenen Änderungen in seiner aktuellen Fassung i.V.m. § 4h EStG (Zinsschranke) noch heute verfassungswidrig ist (BVerfG 2 BvL 1/16).
Bei dem zweiten Steuerstreit aus dem Jahr 2020 ging es um den Sachverhalt „Cum-Ex" (FG Köln vom 19.07.2019, Az. 2 R 2627/17, EFG 2020, 367). Dr. Schwedhelm stellte die der Gestaltung zugrundeliegende Gesetzeslage, die BFH-Rechtsprechung und die Reaktion des Gesetzgebers in den Jahren 2006/2007 dar. Es folgten abwechselnd Reaktionen der Finanzverwaltung, des Gesetzgebers sowie der Rechtsprechung. Den Abschluss der Streitigkeiten bildeten im Steuerrecht das Urteil des BFH vom 02.02.2022 (I R 22/20) und im Strafrecht das Urteil des BGH vom 28.07.2021 (1 StR 510/20, wistra 2021, 479).
Anhand von weiteren Beispielen aus der Praxis belegte er die „Inkriminierung des Steuerstreits", deren Ursachen er in der Rechtsprechung des BGH, der daraus resultierenden vermehrten Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft, der Angst der Finanzverwaltung vor Strafvereitelung im Amt und der Ungewissheit über die Grenzen der Steuerhinterziehung sieht. Folgen daraus sind nach seiner Ansicht "vorgreifliche Entscheidungen der Strafgerichte auch zu komplexen Steuerfragen" (BGH vom 06.09 2012, 1 StR 140/12, zur Treuhand bei Gesellschaftsanteilen).
Aus diesen Erfahrungen leitete er "Konsequenzen für die Beratung" im Zusammenhang mit „streitanfälligen Sachverhalten" ab.
Steuerliche Probleme des „Remote-Working“ im Ausland
In der Einführung zu dem Thema „Steuerliche Probleme des „Remote-Working“ im Ausland (Vermeidung von Betriebsstätten, Einschaltung eines Employer of Record u. a.) stellte Professor Dr. Klaus von Brocke, Rechtsanwalt, München, zunächst eine Themenabgrenzung und Definitionen der verschiedenen Begriffe aus diesem Bereich sowie für das neue „Remote-Working“ in Betracht kommende Gründe vor.
Die „Erörterung der steuerlichen Themen“ sei einerseits aus der Sicht des Arbeitnehmers, z. B. wegen der Vermeidung der einkommensteuerlichen Doppelbesteuerung, und andererseits aus der Sicht des Arbeitgebers, z. B. wegen der Gefahr der Begründung einer ausländischen oder neuen gewerbesteuerlichen Betriebsstätte, erforderlich. Schließlich seien Probleme beim Auseinanderfallen des rechtlichen und des wirtschaftlichen Arbeitgebers zu berücksichtigen.
Es folgte die Erörterung der mit dem Remote-Working zusammenhängenden steuerrechtlichen, arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Fragestellungen.
Anschließend analysierte Professor von Brocke die Rechts- und Sachlage im Einkommensteuer- und Körperschaftsteuerrecht in Deutschland, wobei er den Schwerpunkt auf eine möglicherweise entstehende Betriebsstätte legte.
Außerdem verwies er auf die Behandlung dieser Fragen im europäischen Ausland und die Initiativen der OECD und der EU.
Zusammenfassend stellte er fest, dass der Trend zum Remote-Working zunimmt, jedoch nicht alle Rechts- und Steuerfragen und -lösungen zu diesem Thema neu sind und schließlich in der Regel individuelle Lösungen für jeden Arbeitnehmer entwickelt werden.
Aktuelle EU-steuerrechtliche Entwicklungen
In seinem zweiten Vortrag gab Professor Dr. Klaus von Brocke einen Einblick in „Aktuelle EU-steuerrechtliche Entwicklungen“ und einen „Ausblick auf EU-steuerrechtliche Initiativen für 2023 und 2024“.
Zunächst berichtete Professor von Brocke über die allgemeine Stimmungslage in der EU-Steuerpolitik, wie sie sich bei der Ecofin am 16. Mai 2023 darstellte. Er berichtete im Einzelnen über den Stand der Maßnahmen der EU, mit denen sie auf externe Entwicklungen reagierte. Hervorzuheben sind beispielsweise die Verabschiedung der Richtlinien DAC 6 und DAC 7, die neue Liste nicht-kooperativer Staaten vom 14. Februar 2023, die Verabschiedung der Richtlinie zur öffentlichen länderspezifischen Berichterstattung, die Reform des Code of Conduct vom 08.11.2022 und die Verabschiedung der Mindestbesteuerungs-Richtlinie vom 22.12.2022.
Weitere Initiativen befinden sich im Diskussionsstadium.
Sodann stellte er die Verordnung zur Einführung einer vorübergehenden Solidaritätsabgabe auf Übergewinne für den Öl-, Kohle-, Gas- und Raffineriesektor (Kurz: Energiesektor) vom 06.10.2022 vor.
Ferner informierte er die Teilnehmer über den aktuellen Stand der Diskussion um den Richtlinienentwurf zur Verhinderung der missbräuchlichen Nutzung von Briefkastenfirmen vom 22.12.2021 (sog. „UNSHELL“-Initiative), welcher bis spätestens zum 31.12.2023 in nationales Recht umgesetzt und ab dem 01.01.2024 angewandt werden soll.
Welche ersten Umsetzungsmaßnahmen hinsichtlich der öffentlichen Länderberichterstattung (Public CBCR) durchgeführt wurden, teilte er anschließend mit. Die Richtlinie 2021/2101 vom 24.11.2021 sollte bis zum 22.06.2023 umgesetzt und ein Jahr später wirksam werden. In Deutschland ist der Gesetzentwurf im Parlament und wird für Wirtschaftsjahre ab dem 22.06.2024 durch Änderung der §§ 324 ff. HGB wirksam.
Im Rahmen des „Ausblick auf EU-steuerrechtliche Initiativen für 2023 und 2024“ erörterte Professor von Brocke beispielsweise folgende Themen:
- Pillar 1 und digitale Dienstleistungssteuern
- DAC 8 Initiative zu Informationsaustausch von Kryptowerten
- gegen Drittstaaten gerichtete EU-Maßnahmen
- aktueller Stand bei der Umsetzung der Pillar 2 Model Rules Globe und die neue BEFIT-Initiative.
Abschließend befasste er sich mit dem Bericht des Steuerausschusses des Europäischen Parlaments (FISC) zu neuen EU-Eigenmitteln.
Terminankündigung: STAT 2023
Der 29. Steueranwaltstag und der Steueranwaltstag Plus werden am 03. und 04.11.2023 in Berlin und online veranstaltet. Tagungshotel ist das Dorint Kurfürstendamm Berlin (ehemaliges Sofitel Hotel), Augsburger Straße 41, 10789 Berlin, Telefon 030 8009990. Das Programm wird auf der Homepage der AG Steuerrecht im DAV – www.steuerrecht.org - und der Deutschen Anwalt Akademie – www.anwaltakademie.de - bekannt gegeben.
Anmeldungen können über die Deutsche Anwaltakademie (DAA) als Kooperationspartnerin der AG Steuerrecht im DAV über die Homepage www.anwaltakademie.de erfolgen. Ansprechpartnerin ist Frau Nikola Spychala (Tel. +49 30 726153-158)
Weitere Fortbildungsmöglichkeiten:
Zusätzlich zu den Veranstaltungen bietet die AG Steuerrecht im DAV ihren Mitgliedern die Möglichkeit, sich kostenlos bis zu 5 Stunden im Selbststudium fortzubilden über den www.faocampus.de.
Sabine Unkelbach-Tomczak, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Steuerrecht, Frankfurt am Main