Zurechnung von VuV-Einkünften beim Quotennießbrauch eines Gesellschaftsanteils

Orientierungssatz:
Die Zurechnung der Einkünfte an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft, an der ein Quotennießbrach eingeräumt worden ist, ist dann dem Nießbraucher zuzurechnen, wenn die Stimm- und Verwaltungsrechte des Nießbrauchers derart ausgestaltet sind, dass der Nießbraucher bei einer wirtschaftlichen Betrachtung selbst als Gesellschafter anzusehen ist.

Entscheidung: BFH, Urteil vom 15. November 2022, IX R 4/20

I. Sachverhalt:
Die Beteiligten stritten um die Fragen, welche Voraussetzungen ein Quotennießbrauch haben muss, damit die Einkünfte aus einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft dem Nießbraucher zuzurechnen sind.

Der Kläger und Revisionskläger (der Kläger) ist Gesellschafter einer GbR, welche Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung eines Grundstücks erzielt. Die GbR ist als Eigentümerin im Grundbuch des vermieteten Grundstücks eingetragen und nicht die einzelnen Gesellschafter der GbR. In dem Gesellschaftsvertrag der GbR gewährt 1 % der Beteiligung eine Stimme in der Gesellschafterversammlung.

Am 29.09.2012 räumte der Kläger mit einem privatschriftlichen Vertrag seinem Sohn einen Quotennießbrauch in Höhe von 50 % seines GbR-Anteils ein. Laut des Gesellschaftsvertrags unter III regelten die Gesellschafter die Stimm- und sonstigen Rechte.

"1. Alle gesellschaftlichen Mitwirkungsrechte an dem belasteten Anteil werden der Nießbraucher und der Nießbrauchbesteller gegenüber der Gesellschaft gemeinschaftlich ausüben. Sie beraten sich regelmäßig - möglichst formlos - über die Angelegenheiten der Gesellschaft zur Vorbereitung ihrer gemeinschaftlichen Entscheidung. Die Mitwirkungsrechte sollen jedoch im Außenverhältnis zu den Mitgesellschaftern weiterhin durch den Gesellschafter wahrgenommen werden.

2. Wird [...] keine Einigkeit nach Abs. 1 erzielt, gilt Folgendes:

a) In laufenden Angelegenheiten kann im Hinblick auf den Quotennießbrauch das einheitliche Stimmrecht aus dem Anteil nur gemeinsam ausgeübt werden, so dass, wenn Gesellschafter und Nießbraucher keine Einigung erzielen können, eine Stimmenthaltung zu erfolgen hat, während

b) der Gesellschafter die Mitwirkungsrechte aus dem Anteil bei Beschlüssen, welche die Grundlage der Gesellschaft oder den Kernbereich seiner Mitwirkungsrechte (wie etwa das Verbot der Änderung der Gewinnbeteiligung oder der Beschneidung des Auseinandersetzungsguthabens) betreffen, allein ausübt, wobei sich der Nießbraucher sein Zustimmungsrecht nach § 1071 BGB vorbehält."

Der Kläger unterrichtete die GbR Anfang des Jahres 2013 über die Einräumung des Nießbrauchrechts und bat um Auszahlung seines hälftigen Gewinnanteils an seinen Sohn. Die GbR zahlte demnach an den Sohn seinen auf ihn entfallenden Anteil aus. Die anderen Gesellschafter wurden von der Einräumung des Nießbrauchrechts und der Zahlung an den Sohn des Klägers in Kenntnis gesetzt.

Mangels Berücksichtigung des Sohnes in der Feststellungserklärung der GbR, veranlagte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) erklärungsgemäß ohne den Sohn des Klägers.

Der Kläger legte unter anderem gegen die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen dahingehend Einspruch ein, dass 50 % der Einkünfte seinem Sohn zuzurechnen sind. Diesen Einspruch wies das FA zurück. Auch die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Das FG wies die Klage im wesentlichen mit der Begründung ab, dass kein wirksames Nießbrauchrecht bestellt wurde. Trotz der Zurückweisung des BFH an das FG, aufgrund fehlender Beiladung der Gesellschaft und des Nießbrauchers, wies das FG die Klage erneut ab. Den Gründen ist zu entnehmen, dass es an dem Tatbestand der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung des Nießbrauchers mangelt.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 21 EStG und § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO.

II. Entscheidungsgründe:
Die Revision ist nicht begründet und deshalb zurückzuweisen. Der Senat folgt im Ergebnis der Vorinstanz, führt jedoch in seinen Entscheidungsgründen eine andere rechtliche Würdigung durch.

Vorweggenommen führt der Senat aus, dass im Regelfall demjenigen, der die rechtliche oder tatsächliche „Macht“ hat, die in § 21 Abs. 1 EStG genannten Wirtschaftsgüter anderen entgeltlich auf Zeit zum Gebrauch oder zur Nutzung zu überlassen, die Einkünfte hieraus zuzurechnen sind.

Zunächst macht der Senat deutlich, dass dieser noch nicht zu der Frage Stellung genommen hat, unter welchen Voraussetzungen dem Quotennießbraucher Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung eines Grundstücks bei einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft zugerechnet werden können. Für die Aufarbeitung dieser rechtlichen Fragestellung, zieht der Senat anders gelagerte Fälle heran, um eine Entscheidungsgrundlage für den vorliegenden Fall zu bilden.

So nimmt der Senat Bezug zu einem Sachnießbrauch an einem zur Nutzung überlassenen Grundstück sowie zu einem Treuhandverhältnis.

Darüber hinaus zeigt der Senat auf, welche allgemeinen Voraussetzungen für die Zurechnung der Einkünfte bei einer Personengesellschaft nötig sind. Voraussetzung für die anteilige Zurechnung bei den Gesellschaftern ist, dass sie den Tatbestand der Einkunftsart in gesamthänderischer Verbundenheit verwirklichen. Unschädlich ist bei einer Vermietung eines Grundstücks, dass die Personengesellschaft im eigenen Namen Mietverhältnisse schließt. Die Gesellschafter verwirklichen den Tatbestand auch in diesem Fall in gemeinschaftlicher Verbundenheit, da sie den Willen der Gesellschaft bilden. Ist eine solche Zurechnung anzunehmen, werden grundsätzlich nur den Gesellschaftern die Einkünfte zugerechnet. Maßgeblich ist in der Regel die zivilrechtliche Gesellschafterstellung.

Im weiteren Verlauf zeigt der Senat Ausnahmen von dieser Regel auf, die bei einer Treuhand, bei einem Nießbrauch und einer Unterbeteiligung anzunehmen sind. Darüber hinaus nimmt der Senat Bezug auf die bereits ergangene Rechtsprechung, welche die Zurechnung der Einkünfte bei einem bestellten Nießbrauchrecht einer gewerblichen Personengesellschaft aufgezeigt hat. Dies ist dann anzunehmen, wenn der Nießbraucher ein das Mitwirkungsrecht des Gesellschafters ausschließendes eigenes Stimmrecht bei Beschlüssen der Gesellschafter über die laufenden Angelegenheiten der Gesellschaft und die zur Sicherung seines Fruchtziehungsrechts notwendigen Kontroll- und Informationsrechte hat. Ferner geht der Senat auf die zu einer erbschaftsteuerlichen Frage entwickelte Rechtsprechung des 2. Senats des BFH und die darin konkretisierten Kriterien der Mitunternehmerschaft sowie die Rechtsprechung zum Nießbrauch an einem Mitunternehmeranteil ein.

Nach diesen Ausführungen fasst der Senat zusammen, dass weder einer der aufgezeigten Rechtsprechungen noch die Ausführungen zur Unterbeteiligung oder die Grundsätze der Treuhandschaft, für die Beantwortung der streitigen Fragen herangezogen werden können. Denn maßgeblich ist insoweit, dass Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nur der erzielt, der im Außenverhältnis als Vermieter aufgetreten ist oder wer zumindest die Leistungsbeziehung beherrscht. Einzig die Ausführungen zur Maßgeblichkeit der Verteilung der Stimm- und Verwaltungsrechte zwischen Gesellschafter und Nießbraucher sind im Streitfall für die Beantwortung der Frage, wer beim Quotennießbrauch an einem Gesellschaftsanteil einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft die Einkünfte erzielt, mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass eine Einkünftezurechnung beim Nießbraucher voraussetzt, dass diesem –kraft der vertraglichen Vereinbarungen über die Nießbrauchsbestellung– eine Position eingeräumt ist, die der eines Gesellschafters im Wesentlichen– d.h. im Sinne einer Gleichberechtigung– entspricht.

Der Senat hält somit fest, dass dann eine Zurechnung der Einkünfte bei einer vermögensverwaltenden Tätigkeit an den Gesellschafter oder an den Nießbraucher davon abhängt, ob nur der Gesellschafter nach außen auftritt oder ob beide die Leistungsbeziehungen „im Außenverhältnis“ beherrschen. Ist ein Abstellen auf das Außenverhältnis nicht möglich, da die Leistungsbeziehungen nicht alleine, sondern nur gemeinschaftlich mit den anderen Gesellschaftern, vollzogen wird, ist auf die Stimm- und Verwaltungsrechte des Nießbrauchers abzustellen. Diese müssen derart ausgestaltet sein, dass der Nießbraucher anstelle des Gesellschafters die diesem in der Gesellschaft zustehenden wesentlichen Mitbestimmungsrechte effektiv ausüben kann, so dass dieser den Gesellschafter bei der Mitwirkung an der Willensbildung in der Gesellschaft wirksam beschränken kann und deshalb bei wirtschaftlicher Betrachtung selbst als Gesellschafter anzusehen ist.

Maßgeblich ist somit die Rechtsstellung des Nießbrauchers, welche einem Gesellschafter angenähert sein muss. Mindestmaß ist, dass der Nießbraucher den Gesellschafter zumindest „blockieren“ und mithin verhindern kann, dass der Gesellschafter Entscheidungen mitbeschließen kann, die dem Willen des Nießbrauchers entgegenstehen. Der Nießbraucher muss also in der Lage sein, auch an sogenannten „Grundlagengeschäften“ der Gesellschaft mitzuwirken. Diese Mitbestimmung des Nießbrauchers geht aus der im Einkommensteuerrecht geforderten Zurechnung für die Einkünfte hervor, welche dann greift, wenn eine Teilhabe des Nießbrauchers an der Willensbildung der Gesellschaft vorliegt. Maßgeblich ist hierfür die Verteilung der Stimmrechte. Der Senat zeigt auf, dass zunächst auf die Vertragslage abzustellen ist und so dann zu klären ist, ob das Vereinbarte einem Fremdvergleich standhält sowie umgesetzt worden ist.

Aufgrund dieser Ausführungen kommt der Senat bei dem vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass der Quotennießbraucher keine Berechtigung innehat, die ihn dazu berechtigten an den Grundlagengeschäften der Gesellschaft mitzuwirken. Nach der Vertragslage sollten die Stimmrechte in laufenden Angelegenheiten der Gesellschaft gemeinschaftlich ausgeübt werden. Bei einem Dissens musste sich der Gesellschafter der Stimme enthalten. Bei Fragen, welche die Grundlage der Gesellschaft oder den Kernbereich der Mitwirkungsrechte (z.B. Änderung der Gewinnbeteiligung oder des Auseinandersetzungsguthabens) betreffen, sollte dagegen das Stimmrecht unter Beachtung des Zustimmungsvorbehalts gemäß § 1071 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) allein vom Gesellschafter ausgeübt werden. Jedenfalls vermittelt die letztgenannte Klausel dem Nießbraucher keine Position, die ihn in die Lage versetzt, anstelle des Gesellschafters die diesem in der Gesellschaft zustehenden wesentlichen Mitbestimmungsrechte effektiv ausüben (und ihn gegebenenfalls bei der Stimmabgabe zur Enthaltung zu zwingen), so dass die (dem Quotennießbrauch anteilig unterfallenden) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nicht mehr dem Gesellschafter, sondern ihm zugerechnet werden könnten.


(Claudius Söffing, Rechtsanwalt)