Steueranwaltstag 2022

Der 28. Steueranwaltstag fand vom 4. bis 5.11.2022 in Berlin statt. Die Tagung wurde wieder als Hybrid-Veranstaltung angeboten. Am Freitag und Samstagvormittag fand das „klassische“ Programm statt. Zusätzlich konnten weitere Fortbildungsstunden im „Plus-Modul“ gebucht werden, die mit 2,5 Stunden am Samstagnachmittag (hybrid) und weiteren 2,5 Stunden rein online schon am 10. 11.2022 angeboten wurden.

 

Programm

Freitag, 4.11.2022 (9.15 – 17.45)

  • Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte im Immobilienbereich, Richter am BFH Dr. Nils Trossen, München
  • Stand der Dinge: Organschaft und Gruppenbesteuerung im Umsatzsteuerrecht, Rechtsanwalt Dr. Michael Rust, München
  • Aktuelle Praxishinweise zur Grunderwerbsteuer, Steuerberater Jürgen R. Schott, Dallgow-Döberitz
  • Die neue Wegzugsteuer nach § 6 AStG – Aktuelle Probleme und Beratungsoptionen, Rechtsanwalt Dr. Florian Oppel, Köln
  • Beratungswissen zu Nebenfolgen von Steuerstrafverfahren („Strafzinsen“, Berufsrecht, Gewerbeaufsicht etc), Rechtsanwalt Prof. Dr. Carsten Wegner, Berlin

ab 18:05    Mitgliederversammlung

Samstag, 5.11.2022 (9.15 – 13.35)

  • Steuerstrafrechtliche Probleme von Nacherklärungssituationen im Unternehmen (§ 153/371 AO), Rechtsanwalt Dr. Peter Talaska, Köln
  • Aktuelles zu Mitarbeiter-Beteiligungsmodellen im Bereich von Start-Ups und KMU, Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Weitnauer, München
  • Dauerbrenner Schätzung bei Bargeldbetrieben, Rechtsanwalt/Steuerberater Bernd Kreutzer, Bad Honnef
     

„Steueranwaltstag plus“
 

5.11.2022 - Präsenz + Online (14.00 – 16.40)       

Gestaltungsüberlegungen zu Immobilieninvestitionen einschließlich der Querbezüge zur Erbschaft- und Schenkungsteuer, Rechtsanwälte Christoph Oenings und Dr. Jörg Stalleiken, Hamburg/Bonn     

10.11.2022 - Nur Online (16.30 – 19.10)

Aktueller Überblick zu Fragen der Betriebsaufspaltung, Prof. Dr. Lars Micker, Meerbusch

28. Steueranwaltstag in Berlin vom 4. bis 5. November 2022

Der 28. Steueranwaltstag fand vom 4. bis 5. November 2022 und der Steueranwaltstag Plus Modul 1 am Nachmittag des 5. November 2022 in Berlin im Sheraton Berlin Grand Hotel Esplanade sowohl als Präsenz- als auch als Online-Veranstaltung statt. Modul 2 des Steueranwaltstags Plus wurde am 10. November 2022 ausschließlich online durchgeführt.

Der 28. Steueranwaltstag umfasste 10 Fortbildungsstunden mit einem breiten Themenspektrum aus dem materiellen Steuerrecht und dem Steuerverfahrensrecht.

Der Steueranwaltstag Plus bot mit seinen beiden Modulen insgesamt 5 weitere Fortbildungsstunden mit den Themen Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie Betriebsaufspaltung.

Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte im Immobilienbereich

Der „Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte im Immobilienbereich“ widmete Dr. Niels Trossen, RiBFH (IX. Senat), München, seinen Vortrag zu Beginn des Steueranwaltstages.

Zunächst gab er einen Überblick über die aktuellen Problembereiche des § 23 EStG im Immobilienbereich. Dazu gehören insbesondere die Berechnung der Fristen, die Ausnahme bei selbstgenutztem Wohneigentum, unentgeltlicher Erwerb bzw. unentgeltliche Übernahme von Verbindlichkeiten und transparente Besteuerung.

Im Folgenden erörterte er verschiedene Urteile des BFH zur Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte. Diese betrafen die Behandlung des Arbeitszimmers (BFH vom 01.03.2021 - IX R 27/19), die Auswirkung von Genehmigungen (BFH vom 25.03.2021 - IX R 10/20), die Schenkung an nahe Angehörige (BFH vom 23.04.2021 - IX R 8/20), die baurechtswidrige Nutzung (BFH vom 26.10.2021- IX R 5/21), den Ansatz des Entnahmewerts (BFH vom 06.12.2021 - IX R 3/20) und die Anschaffungskosten bei vermögensverwaltender Personengesellschaft (BFH vom 03.05.2022 - IX R 22/19).

Abschließend wies er auf bei dem BFH anhängige Verfahren hin (Veräußerung eines Mobilheims, Scheidungsfall, gemeinsame Nutzung durch drei Kinder Vermietung von Messezimmern).

Stand der Dinge: Organschaft und Gruppenbesteuerung  im Umsatzsteuerrecht

Im Bereich des Umsatzsteuerrechts äußerte sich Dr. Michael Rust, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, KMLZ Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, München, zum Stand der Dinge bei der Organschaft und der Gruppenbesteuerung.

Ausgehend von allgemeinen Grundsätzen und Grundlagen der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft führte er einen Vergleich mit der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (EU) durch. Dann erörterte im Folgenden aktuelle Fragestellungen zur Organschaft, welche sich auf die Person des Steuerpflichtigen, die finanzielle Eingliederung einer GmbH & Co. KG nur bei 100 % Anteils-Mehrheit, die erforderlichen Durchgriffsrechte und die unentgeltliche Wertabgabe bezogen.

Bezüglich der Voraussetzungen der Personengesellschaft als Organträger erläuterte er für den Fall der finanziellen Eingliederung einer GmbH & Co. KG nur bei 100-prozentiger Anteils-Mehrheit die beiden EuGH-Urteile vom 16.07.2015 - C-108/14 und C-109/14 Larentia und Minerva sowie Marenave - und die dazu vom BFH erlassenen Nachfolgeentscheidungen vom 02.12.2015 sowie vom 19.01.2016 und 01.06.2016. Zur selben Fragestellung stellte er das EuGH-Urteil vom 15.04.2021 - C-868/19 M-GmbH – mit dem BFH-Urteil vom 26.08.2021 - V R 13/20 - vor.

Hinsichtlich der Fragestellung, wer Steuerpflichtiger bei der Organschaft ist, stellte er die Vorlagebeschlüsse des BFH vom 11.12.2019 - XI R 16/18 - und vom 07.05.2020 - V R 40/19 - sowie das EuGH-Urteil vom 11.03.2021 - C-812/19 - Danske Bank - vor.

Für die Beantwortung der Frage, ob eine Eingliederung mit Durchgriffsrechten erforderlich ist, wird auf die EuGH-Urteile vom 16.07.2015 (siehe oben) und die BFH-Urteile vom 02.12.2015 - V R 15/14, vom 01.02.2022 - V R 23/21 und den Vorlagebeschluss vom 11.12.2019 - XI R 16/18 - verwiesen.

Zum Umfang der Organschaft und der unentgeltlichen Wertabgabe hat der BFH einen Vorlagebeschluss vom 07.05.2020 - V R 40/19 - beim EuGH eingereicht, dessen Entscheidung zum 01.12.2022 unter dem Aktenzeichen C-269/20 erwartet wurde.

Aktuelle Praxishinweise zur Grunderwerbsteuer

Zur Grunderwerbsteuer gab Jürgen R. Schott, Steuerberater, Diplom-Finanzwirt, D.A. (USA), Certified Crypto Finance-Expert Zürich, Dallgow-Döberitz, aktuelle Praxishinweise.

Unter Zugrundelegung der unterschiedlichen Gewerbesteuersätze der Bundesländer von 3,5 % bis 6,5 % ergibt sich, dass die Grunderwerbsteuer ca. 40-60 % der Nebenkosten für den Erwerb einer Immobilie beträgt. Anhand des sich aus den Bestimmungen des Grunderwerbsteuergesetzes ergebenden Prüfungsschemas kann die Grunderwerbsteuerpflicht sowie die Höhe der Grunderwerbsteuer ermittelt werden. In § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ist als Grundfall des Vollerwerbs der Kaufvertrag und in § 1 Abs. 1 Nr. 2-7 GrEStG sind die Hilfstatbestände als Grundfälle des Vollerwerbs geregelt. Ergänzungsfälle enthalten die Bestimmungen in § 1 Abs. 2, 2a, 2b, 3 und 3a GrESt, welche bestimmte wirtschaftlich vergleichbare Rechtsträgerwechsel dem Vollerwerb gleichstellen, obwohl ausnahmsweise kein Übergang auf einen anderen Rechtsträger erfolgt.

Die Reform der Grunderwerbsteuer zum 01.07.2021 führte primär zu Änderungen im Bereich der "Ergänzungstatbestände", die Erwerbsvorgänge nach Ablauf des 30.6.2021 erfassen. Neue Ländererlasse vom 10.05.2022 betreffen die Änderung des Gesellschafterbestandes bei grundbesitzenden Personengesellschaften (§ 1 Abs. 2a GrEStG) und den neuen Ergänzungstatbestand für grundbesitzende Kapitalgesellschaften (§ 1 Abs. 2b GrEStG). Die Beteiligungsgrenzen wurden von 95 % auf 90 % gesenkt und die Haltefristen von fünf Jahre auf zehn Jahre verlängert.

Sodann stellte Herr Schott dar, welche Gestaltungsmöglichkeiten zur Vermeidung der Grunderwerbsteuer bei Grundstücksübertragungen nach der Reform noch bestehen. Schließlich erläuterte er noch den § 6a GrEStG bezüglich Umstrukturierungen im Konzern, stellte einige beim BFH anhängige Verfahren vor und bot für zwei Praxisfälle mögliche Lösungen vor.

Die neue Wegzugsteuer nach § 6 AStG – Aktuelle Probleme und Beratungsoptionen

„Die neue Wegzugsteuer nach § 6 AStG“ stellte den Teilnehmern Dr. Florian Oppel, LL.M., Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater, Fachberater für Internationales Steuerrecht, YPOG Rechtsanwaltsgesellschaft, Köln, vor.

Eingangs stellte Dr. Oppel die Ausgangslage hinsichtlich der Zuweisung der Besteuerungsrechte bei der Veräußerung von Kapitalgesellschaftsbeteiligungen im internationalen Kontext im Zusammenhang mit der unbeschränkten und beschränkten Einkommensteuerpflicht vor.

Die Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG wird im Wesentlichen als fiktive Veräußerung geregelt. Zur Wegzugsbesteuerung schilderte er daher zunächst die Rechtsentwicklung, ging dann auf die persönlichen Voraussetzungen und tatbestandsauslösenden Ereignisse ein, prüfte bezüglich der Rechtsfolgen die Fiktion einer Veräußerung, Stundungs- und Härtefallregelung, Rückkehrregelung sowie Altfälle und beschäftigte sich anschließend mit Gestaltungsoptionen wie beispielsweise einer inländischen Familienstiftung, der originär gewerblichen Personengesellschaft, der Umwandlung in eine Personengesellschaft sowie in eine gewerbliche Personengesellschaft.

Beratungswissen zu Nebenfolgen von Steuerstrafverfahren

Welches „Beratungswissen zu Nebenfolgen von Steuerstrafverfahren“ für die Teilnehmer und deren Mandanten wichtig ist, erfuhren die Teilnehmer von Prof. Dr. Carsten Wegner, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Strafrecht, Krause & Kollegen, Berlin.

Professor Wegner empfahl, bereits bei der Aufbereitung steuerstrafrechtlicher Sachverhalte für die Beratung im Rahmen der Strafverteidigung zu berücksichtigen, in welchem persönlichen, gesellschaftlichen, beruflichen und unternehmerischen Umfeld der jeweilige Mandant tätig ist. Dieser hat über die Abgabenordnung und das Strafgesetzbuch hinaus viele andere Gesetze einzuhalten, insbesondere solche des besonderen Verwaltungsrechts. Feststellungen im Steuerstrafverfahren werden in Verwaltungsverfahren über die Nebenfolgen oft übernommen und führen in den Verwaltungsverfahren zu zusätzlichen Sanktionen für den Mandanten.

Anhand von Praxisfällen demonstrierte Professor Wegner, welche Nebenfolgen den Mandanten im Falle z. B. einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung drohen können. Nebenfolgen sind insbesondere der Widerruf der Approbation eines Arztes, eines Apothekers, der Heilpraktikererlaubnis, der Bestellung als Steuerberater, der Anwaltszulassung, einer Gaststättenerlaubnis, einer Taxikonzession, einer Jagd- und waffenrechtlichen Erlaubnis, der Verlust der Beamtenrechte, die Löschung als Geschäftsführer im Handelsregister, eine Gewerbeuntersagung oder ein finanzbehördlicher Insolvenzantrag nach Steuerfahndungsprüfung.

Steuerstrafrechtliche Probleme von Nacherklärungssituationen im Unternehmen (§§ 153, 371 AO)

Ausgehend von der in § 153 AO geregelten Pflicht des Steuerpflichtigen, in bestimmten Fällen vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine Nacherklärung vorzunehmen, erläuterte Dr. Peter Talaska, Rechtsanwalt, Streck Mack Schwedhelm, Köln, welche „steuerstrafrechtlichen Probleme von Nacherklärungssituationen im Unternehmen (§§ 153, 371 AO)“ entstehen und wie diese in Abgrenzung zur Steuerhinterziehung behandelt werden können.

Zunächst stellte er die Umstände, die zu einer Nacherklärungspflicht führen, und die Schnittstellen zur straf- oder bußgeldbefreienden Selbstanzeige und deren Konsequenzen dar.

Anschließend erörterte er die in der unternehmerischen Praxis entstehenden Problemfälle: Dazu gehört die Anzeigepflicht bei falscher elektronischer Datenübermittlung durch Dritte, insbesondere durch Kranken- oder Rentenversicherungen, im Sinne des § 93c AO. Die Korrektur hat der mitteilungspflichtige Dritte oder der Steuerpflichtige bei Erkennen des Fehlers zu erklären oder bei nachträglichem Erkennen nach Versendung der Erklärung eine Nacherklärung einzureichen. Ein weiterer Problemfall ist die Berichtigung von Umsatzsteuervoranmeldungen und Umsatzsteuerjahresmeldungen. Nach dem seit dem Jahr 2015 geltenden § 371 Abs. 2a S. 3 AO sind Korrekturen der Umsatzsteuervoranmeldungen zulässig, nicht jedoch die Korrektur der Jahresumsatzsteuererklärung. Weitere Problemfelder betreffen den Geldzuschlag nach § 398a AO sowie die Berichtigung von Steuererklärungen nach der Außenprüfung für ungeprüfte Zeiträume.

Neue Problemfelder ergeben sich aus der EU-Richtlinie „DAC 7" (= Richtlinie (EU) 2021/514 des Rates vom 22. März 2021 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Modernisierung des Steuerverfahrensrechts). (Anmerkung der Autorin: Das Gesetz vom 20. Dezember 2022 zur Umsetzung dieser Richtlinie wurde fristgemäß erlassen und am 28. Dezember 2022 verkündet: BGBl. 2022 I Nr. 56, Seite 2730.) Wichtig sind die in diesem Gesetz vor allem Art. 3, 4 und 5, durch welche die Abgabenordnung, das Einführungsgesetz zur Abgabenordnung und das Finanzverwaltungsgesetz geändert werden. Die Bestimmungen zur Beschleunigung der Außenprüfung und die Erweiterung der steuerlichen Berichtigungspflichten werden zu Diskussionen führen.

Aktuelles zu Mitarbeiterbeteiligungsmodellen im Bereich von Start-Ups und KMU

Aktuelle Informationen zu "Mitarbeiterbeteiligungsmodellen im Bereich von Start-Ups und KMU" erhielten die Teilnehmer von Dr. Wolfgang Weitnauer, M.C.L., Rechtsanwalt, Weitnauer Partnerschaft mbB Rechtsanwälte Steuerberater, München.

Hinsichtlich der Grundlagen der Mitarbeiterbeteiligung ging Dr. Weitnauer auf den Zweck und die Formen der Mitarbeiterbeteiligung, die Gründe für die unterschiedlichen Ausgestaltungsformen, den wirtschaftlichen Rahmen und die formale Ausgestaltung sowie die Kernkonditionen ein.

Zur "Einräumung echter Geschäftsanteile" sprach er zunächst die allgemeinen Grundsätze an, erläuterte die Alternative der "Hurdle Shares", stellte die Besonderheiten für KMU durch § 19a EStG heraus, übte Kritik an dieser Neuregelung und sprach auch die mittelbare Beteiligung über echte Geschäftsanteile an. Weitere Beteiligungsmodelle sind Optionen auf Geschäftsanteile (ESOP) sowie virtuelle Beteiligungen (VSP). Im Fazit stellte er die Vor- und Nachteile der einzelnen Modelle für die Mitarbeiterbeteiligung unter steuerlichen Gesichtspunkten dar und präsentierte die Reformvorschläge, welche die Bundesregierung im Sommer 2022 zur Förderung von Start-Ups vorlegte.

Schätzung bei Bargeldbetrieben

Besteuerungsgrundlagen hat die Finanzbehörde zu schätzen, wenn sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann. (§ 162 Abs. 1 S. 1 AO) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen und der Steuerpflichtige die Zustimmung nach § 93 Abs. 7 S. 1 Nr. 5 AO nicht erteilt. (§ 162 Abs. 2 S. 2 AO) Die Buchführung und Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 - 148 AO entsprechen, sind der Besteuerung zugrunde zu legen, soweit nach den Umständen des Einzelfalls kein Anlass ist, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden. (§ 158 AO)

Somit dient § 158 AO nach Ansicht von Bernd Kreutzer, Rechtsanwalt, Steuerberater, Bad Honnef, als „Einfallstor“ zur „Schätzung bei Bargeldbetrieben“, vor allem bei formell nicht ordnungsmäßigen Aufzeichnungen.

Bei Bargeldbetrieben kommt einer ordnungsmäßigen Kassenführung somit erhebliche Bedeutung zu. Seit dem 1.1.2020 ist der Einsatz einer zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung (TSE) für jede Kasse Pflicht. Die Übergangsfrist für nicht aufrüstbare Kassensysteme (Kassen ohne TSE) ist am 31.12.2022 abgelaufen. Ebenso Pflicht ist die Belegausgabe bei Verwendung elektronischer Aufzeichnungssysteme und die Meldung elektronischer Aufzeichnungssysteme an die Finanzverwaltung. (§ 146a Abs. 1, 2 und 4 AO) Lediglich Marktbeschicker dürfen noch ein "Papierkasse" führen.

Die formelle Ordnungsmäßigkeit richtet sich nach den GOBD, welche allerdings kein Gesetz sind, sondern nur den Charakter eines BMF-Schreibens haben.

Die Verfahrensdokumentation ist eine nach der AEAO zulässige Organisationsunterlage.

In welchen Fällen die Schätzung bei formell nicht ordnungsgemäßen Aufzeichnungen und bei formell ordnungsgemäßen Aufzeichnungen zulässig ist, erläuterte Herr Kreuzer im Folgenden.

Außerdem stellte er eine Fallsammlung von Urteilen aus diesem Bereich vor, insbesondere zur Schätzung bei einem Marktbeschicker, Sicherheitszuschlag, Quantilsschätzung, Aufbewahrung von Organisationsunterlagen, Richtsatzschätzung, Schätzung von Umsatzerlösen eines Gastronomiebetriebs, Einzelaufzeichnungspflichten, Kassenführung und Excel, Aufforderung zur Überlassung eines Datenträgers nach "GDPdU" zur Betriebsprüfung bei einem Einnahmen-Überschuss-Rechner (§ 4 Abs. 3 EStG).

Steueranwaltstag Plus

Modul 1: Gestaltungsüberlegungen zu Immobilieninvestitionen

Im Rahmen des Steueranwaltstags Plus Modul 1 am 05. November 2022 im Anschluss an den 28. Steueranwaltstag präsentierten Christoph Oenings, Rechtsanwalt, Steuerberater, Dipl.-Finanzwirt, Hamburg, und Dr. Jörg Stalleiken, Rechtsanwalt, Steuerberater, Dipl.-Finanzwirt, Bonn, beide Partner bei Flick Gocke Schaumburg, „Gestaltungsüberlegungen zu Immobilieninvestitionen einschließlich der Querbezüge zur Erbschaft- und Schenkungsteuer“.

Über die ertragsteuerlichen Aspekte von Immobilieninvestitionen referierte Herr Oenings. Im Rahmen der Bestimmung des Investitionszwecks sollte überlegt werden, ob die Immobilie privat selbst genutzt, langfristig vermietet, eigenbetrieblich in einer Unternehmensgruppe genutzt oder einer Immobilien-Projektentwicklung zugeordnet werden sollte. Gleichzeitig sollte die steuerliche Vermögensverwaltung von dem steuerlichen Gewerbebetrieb unterschieden werden. Den außersteuerlichen Entscheidungskriterien für eine Immobilieninvestition ordnete er die Haftung, Publizität, Finanzierung, das Rating, die Flexibilität und Reduzierung von Komplexität zu. Anhand von Beispielen zeigte er, wie Haltestrukturen steuergünstig gestaltet werden können.

Mit den erbschaftsteuerlichen Aspekten bezüglich Immobilien im Privatvermögen und im Betriebsvermögen beschäftigte sich Dr. Stalleiken. Schwerpunkte seiner Ausführungen zu Immobilien im Privatvermögen waren die steuergünstige Bewertung und Vererbung des Familienwohnheims, Steuerbefreiungen für Baudenkmäler, Steuerbegünstigungen für vermietete Wohnimmobilien und das Konkurrenzverhältnis der Steuerbefreiungen für Privat- und Betriebsvermögen. Hinsichtlich der Immobilien im Betriebsvermögen ging er auf die erbschaftsteuerliche Begünstigung für Betriebsvermögen ein, gab Hinweise zur Einordnung von Immobilien im Betriebsvermögen und zur Vermeidung von Behaltensfristverstößen.

Im dritten Teil des Vortrags erörterte Dr. Stalleiken ausgewählte Aspekte steuerlicher Immobilienbewertung. Er stellte verschiedene Bewertungsmethoden für unterschiedliche Grundstücksarten vor und machte auf die geplanten Änderungen des Bewertungsverfahrens nach dem Jahressteuergesetz 2022 sowie auf deren Geltung ab dem 01.01.2023 aufmerksam. Außerdem ging er noch auf den Nachweis des niedrigeren gemeinen Wertes ein.

Modul 2: Aktuelle Anwendungsfragen der Betriebsaufspaltung

Beim Modul 2 des Steueranwaltstages Plus am 10. November 2022 gab Prof. Dr. Lars Micker, BScEc, LL.M., Hochschule für Finanzen NRW, Nordkirchen, einen „Aktuellen Überblick zu Fragen der Betriebsaufspaltung“.

Nach Darstellung der Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Betriebsaufspaltung (BA) mit jeweils aktueller diesbezüglicher Rechtsprechung aus dem Einkommen- und Gewerbesteuerrecht erläuterte er die Betriebsaufspaltung über die Grenze mit inländischem Besitz- und ausländischem Betriebsunternehmen. Bei der Betriebsaufspaltung über die Grenze ist streitig, ob die Grundsätze über die Betriebsaufspaltung anwendbar sind. Er schloss seine Ausführungen mit Hinweisen zu Beginn und Beendigung der echten und unechten Betriebsaufspaltung insbesondere bei Erbfällen und Einbringungstatbeständen nach § 20 UmwStG ab. Für die Beendigung der BA ist das Urteil des BFH vom 29.11.2017 - I R 7/16, BStBl. 2019 II S. 738, das Urteil vom 29.11.2017 – X R 34/15, BFH/NV 2018, 623 sowie das Urteil vom 17.04.20219 – IV R 12/16 - wichtig.

Sabine Unkelbach-Tomczak, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Steuerrecht, Frankfurt am Main

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