Erbschaftsteuerrechtliche Behandlung der Anwachsung eines KG-Anteils bei übersteigendem Abfindungsanspruch

 

Orientierungssatz:Ein Abfindungsanspruch nach § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB gehört zum erbschaftsteuerpflichtigen Erwerb von Todes wegen, also zum Privatvermögen der Erben. Eine Regelungslücke hinsichtlich der Berücksichtigung eines negativen Erwerbs im Rahmen des § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG liegt nicht vor.

 

 

 

 

Entscheidung: BFH, Urteil vom 08.06.2021, II R 2/19

  1. Sachverhalt

Die im 2012 verstorbene Mutter setzte ihrer vier Kinder zu je einem Viertel als Erben ein. Diese vier Miterben und die Mutter waren jeweils mit einer Beteiligungsquote von 20 % Kommanditisten einer GmbH & Co. KG. Der Gesellschaftsvertrag sah für den Fall des Todes eines Gesellschafters die sog. Fortsetzungsklausel vor. D.h., der verstorbene Gesellschafter scheidet in einer juristischen Sekunde vor seinem Tod aus der Gesellschaft aus, die sodann von den Altgesellschaftern fortgesetzt wird. Dem durch Tod ausgeschiedenen Gesellschafter steht ein Abfindungsanspruch zu, der sodann in den Nachlass fällt.

Aufgrund der Fortsetzungsklausel wuchs den vier verbliebenen Kommanditisten das auf den Anteil der verstorbenen Mutter entfallende Gesellschaftsvermögen zu je 5 % an und die Beteiligungsquote erhöhte sich entsprechend um 5 % auf nunmehr jeweils 25 %.

Im Rahmen der Erbschaftsteuer setzte das FA u.a. gegenüber dem Kläger zum einen einen anteiligen Abfindungsanspruch in Höhe von € 500.000 fest (Kapitalforderung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG), da der Abfindungsanspruch der Erblasserin insgesamt unstreitig € 2 Mio. betrug. Zum anderen erfasste das FA einen Anwachsungserwerb gem. § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG. Der Höhe nach ging das FA von einem Unternehmenswert in Höhe von € 3 Mio. aus, wovon ¼ auf den Kläger mithin € 750.000 entfielen. Hiervon zog das FA den anteiligen Abfindungsanspruch von € 500.000 ab, so dass der Anwachsungserwerb mit einem Wert von € 250.000 in dem Erbschaftsteuerbescheid erfasst wurde.  

Durch geänderten Feststellungsbescheid reduzierte sich der Unternehmenswert von vormals € 3 Mio. auf € 1,2 Mio. Aufgrund dessen beantragte der Kläger die Änderung des Erbschaftsteuerbescheids. Diesen Antrag begründete er damit, dass nunmehr ein negativer Anwachsungserwerb gegeben sei. Von dem anteilig auf ihn entfallenden Unternehmenswert von € 300.000 sei der anteilige Abfindungsanspruch von € 500.000 abzuziehen, so dass insoweit ein negativer Betrag von € 200.000 anzusetzen sei. Das FA lehnte den Antrag vollumfänglich ab. Der Einspruch des Klägers hatte insoweit Erfolg, als das FA nunmehr keinen Anwachsungserwerb nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG mehr ansetzte, da es von einem anteiligen Unternehmenswert von € 0 ausging. Einen Ansatz eines negativen Unternehmenswerts verneinte es jedoch.

Die gegen den geänderten Erbschaftsteuerbescheid erhobene Klage vor dem Finanzgericht blieb ebenso wie die anschießende Revision der Erfolgt versagt. Die Revision begründete der Kläger im Wesentlichen damit, dass über den Wortlaut der Vorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG auch negative Unternehmenswerte zu berücksichtigen seien. Der Gesetzgeber habe eine objektive Bereicherung erfassen wollen, die auch negative Werte erfasst. Ferner sei die besondere Fallkonstellation zu berücksichtigen, dass nämlich der Kläger nicht nur Erbe, sondern auch zugleich fortsetzender Gesellschafter sei. Deshalb sei der Abfindungsanspruch von Anfang an steuerliches Sonderbetriebsvermögen geworden, sodass die als Schuld der Gesellschaft passivierte Abfindungsverbindlichkeit ertragsteuerlich im Ergebnis neutralisiert worden sei.

  1. Entscheidungsgründe

Die vom Kläger eingelegte Revision hatte keinen Erfolg. Der erkennende II. Senat des BFH wies die Revision als unbegründet zurück. Der gem. § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG steuerpflichtige Anwachsungserwerb kommt nur dann zum Tragen, soweit der Wert, der sich für den angewachsenen Anteil zur Zeit des Todes ergibt, Abfindungsansprüche Dritter übersteigt. Den Fall, dass der Anwachsungserwerb den Wert, der sich für den anwachsenden Anteil zur Teil des Todes ergibt, Abfindungsansprüche Dritte unterschreitet, wird hingegen nach dem nicht auslegungsfähigen Wortlaut des Gesetzes nicht erfasst. Der erkennende Senat des BFH sah für eine erweiternde Auslegung des § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG auch für den Fall keinen Raum, dass die fortsetzenden Gesellschafter zugleich Erben des ausgeschiedenen Gesellschafters sind. Denn das Gesetz spricht nur davon, dass der Abfindungsanspruch den Anteilswert „übersteigt“. Hätte der Gesetzgeber den umgekehrten Fall mit erfassen wollen, also den Fall, dass der Abfindungsanspruch den Anteilswert unterschreitet, hätte er von einer Differenz zwischen dem Anteilswert am Todestag und den Abfindungsansprüchen Dritter sprechen müssen. Eine Regelungslücke, die eine erweiternde Auslegung (teleologisch Extension) verlangt, ist für den II. Senat nicht erkennbar. Ein etwaiger „rechtspolitischer Fehler“ reicht hierfür nicht aus.

Auch der zweite rechtliche Gesichtspunkt, den der Kläger vorgetragen hat, überzeugte den BFH nicht. Der Abfindungsanspruch ist nicht automatisch zum Sonderbetriebsvermögen des Klägers bei der GmbH & Co. KG geworden. Den Abfindungsanspruch erwarb der Kläger nicht als Gesellschafter, sondern als Erbe und fiel damit in sein steuerliches Privatvermögen. Zur Begründung von gewillkürtem Sonderbetriebsvermögen hätte es sodann einer entsprechenden Widmung bedurft. Dieser Widmungsakt wäre aber erst nach dem Erwerb von Todes wegen denkbar gewesen und hätte deshalb keinen Einfluss auf die Erbschaftsteuer, die rein stichtagsbezogen ist, nehmen können.

Auch wenn dem Ergebnis des II. Senats zuzustimmen ist, so ist gleichwohl darauf hinzuweisen, dass er wohl nicht ganz zutreffend in Randnummer 35 von einer „Anwachsung des Gesellschaftsanteils an der KG“ spricht. § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB bestimmt, dass, wenn ein Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet, sein Anteil am Gesellschaftsvermögen den übrigen Gesellschaftern anwächst. Die Anwachsung ist mithin keine Verfügung über einen Gesellschaftsanteil, sondern reiner „Rechtsreflex“. Durch die Anwachsung wird eben nicht eine Beteiligung originär hinzuerworben. Wenn aber die Anwachsung überhaupt nicht eine Abtretung eines Gesellschaftsanteils beinhaltet, so kann auch nicht quasi auf dem Rücken der Anwachsung ein Sonderbetriebsvermögen mit übertragen werde.    

 

 (Claudius Söffing, Rechtsanwalt)