Am 26.01.2009 fand in Köln der 6. Deutsche Finanzgerichtstag unter dem Thema Neue Lösungsansätze für Dauerbrennpunkte der Besteuerung statt. Der Präsident des Deutschen Finanzgerichtstages und Richter am Bundesfinanzhof, Herr Jürgen Brandt, begrüßte die rund 350 Teilnehmer und eröffnete die Tagung, indem er zunächst auf die Erwartungen der Praxis an eine derzeit in der Politik diskutierte Steuerreform, insbesondere auf die vielfach geforderte Senkung von Steuerlasten einging. Er erinnerte daran, dass Herr Tipke im vergangenen Jahr auf dem 5. Deutschen Finanzgerichtstag auf den im Steuerrecht erforderlichen Gerechtigkeitsmaßstab hinwies. Die Normen des Steuerrechts sollen verständlich, praktikabel und transparent sein, dies, so forderte Herr Brandt, seien Anforderungen, die nicht nur auf dem Papier stehen dürften. Ziel sei es, auf gerechte Weise Steuereinnahmen zu gerieren, die nicht allein auf fiskalischen Erwägungen basierten. Darüber hinaus sei es wichtig, eventuellen Vertrauensverlust aufgrund der Verfassungswidrigkeit von Steuergesetzen zu vermeiden, indem beispielsweise durch den Gesetzgeber verstärkt die Anhörung von steuerlichen Sachverständigen während des Gesetzgebungsverfahrens vorgenommen werden sollte.
Herr Dr. h. c. Wolfgang Spindler, Präsident des Bundesfinanzhofes, und Herr Dr. Horst Vinken, Präsident der Bundessteuerberaterkammer, richteten im Anschluss ihre Grußworte an die Teilnehmer der Tagung.
Für die Kölner Rechtsanwaltskammer und damit für die Kölner Kollegen war Frau Kollegin Alexandra Mack erschienen. Der Kölner Anwaltverein war durch den Fachausschuss Steuerrecht vertreten.
Den ersten Themenvortrag der Tagung mit dem Titel Die Bedeutung einer Steuerreform für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland begann Herr Prof. Dr. Michael Heise, Dresdner Bank AG Allianz Dresdner Economic Research, mit einigen allgemeinen Aussagen zur aktuellen wirtschaftlichen Lage und den bereits auf den Weg gebrachten deutschen Konjunkturpaketen. Er hob hervor, dass insbesondere Steuersenkungen ein wirksamer Weg seien, die Konjunktur anzukurbeln. Durch die Verbesserung von Leistungsanreizen hätten Steuersenkungen auch langfristige Wirkungen. An einigen Beispielen verdeutlichte Herr Prof. Dr. Heise die steigende Progression der Steuertarife in den unteren und mittleren Einkommensbereichen. Er kam dabei zu dem Ergebnis, dass in diesen Einkommensbereichen Lohnerhöhungen nur zwischen 67 % und 35 % tatsächlich beim Lohnempfänger ankämen. Er zog daraus die Schlussfolgerung, dass die Einkommensteuer in diesen Einkommensbereichen zu senken sei. Zum Thema Abgabensenkung wies Herr Prof. Dr. Heise darauf hin, dass solche Abgabensenkungen in der Regel durch steuerliche Mittel finanziert würden. Außerdem zeige die Erfahrung, dass solche Abgabensenkungen zu zeitlichen Verzögerungen von notwendigen Reformen führen würden. Als wünschbar bezeichnete Herr Prof. Dr. Heise eine stärkere Beseitigung der kalten Progression und eine Begradigung des Mittelstandsbauches sowie die Inangriffnahme eines linear-progressiven Steuertarifes. Als wenig wahrscheinlich bezeichnete der Referent allerdings eine steuerliche Reform, auch wenn im derzeitigen Wahlkampf die Parteien eine solche ankündigen würden.
Als zweite Referentin der Tagung sprach Frau Prof. Dr. Johanna Hey, Inhaberin des Lehrstuhls für Steuerrecht der Universität zu Köln, zu dem Thema Gestaltungsmissbrauch im Steuerrecht nach der Neufassung des § 42 AO und dem dazu ergangenen BMF-Erlass. Frau Prof. Dr. Hey gab zunächst einen Überblick über dir bisherigen Probleme des § 42 AO. Als Kernproblem arbeitete sie dabei die Abgrenzung zwischen dem Missbrauch und der legitimen Nutzung von Gestaltungsmöglichkeiten heraus und vertrat die Ansicht, dass dieses Kernproblem von der bisherigen finanzgerichtlichen Rechtsprechung überzeugend gelöst worden sei. Allerdings habe dies zu einer Fülle von Kasuistik und einer gewissen Anzahl von Fallgruppenbildung geführt. Als Zwischenfazit zog die Referentin den Schluss, dass ein Eingreifen des Gesetzgebers betreffend die allgemeine Missbrauchsvorschrift des § 42 AO nicht vorgelegen habe. Allerdings sei die Rechtsprechung zu § 42 AO aus Sicht des Fiskus zu lasch gewesen, deshalb habe der Gesetzgeber ein Eingreifen für notwendig erachtet. Frau Prof. Dr. Hey ging sodann der Frage nach, ob der neue § 42 AO im Hinblick auf die oft lückenhaften und überschießenden spezialgesetzlichen Missbrauchsregelungen weiterhelfe. In einer dogmatisch sehr gelungenen Analyse des neuen § 42 AO erörterte Frau Prof. Dr. Hey zunächst die Legaldefinition des Missbrauchsbegriffs in § 42 Abs. 2 S. 1 AO. Sie ging anschließend der Frage nach, wann eine steuerliche Gestaltung unangemessen sei, und kam insoweit zu dem Ergebnis, dass diese Frage nach wie vor offen geblieben ist und auch nicht durch den BMF-Erlass geklärt werde. Neu sei, dass im Rahmen des § 42 AO auch die Motive des Steuerpflichtigen hinsichtlich der von ihm gewählten Gestaltung relevant sein sollen, dies, so Frau Prof. Dr. Hey, eröffne einen weiten Interpretationsspielraum und diene nicht der Vereinfachung. Das dogmatische Konzept des Gesetzgebers bei der Neugestaltung des § 42 AO bleibt nach Ansicht der Referentin im Dunkeln. Im weiteren befasste sich Frau Prof. Dr. Hey in ihrem Referat mit der Beweislastverteilung und der Konkurrenz des § 42 AO als allgemeine Missbrauchsvorschrift im Verhältnis zu spezialgesetzlichen Missbrauchsnormen. Als Fazit fasste Frau Prof. Dr. Hey zusammen, dass sich durch die Neufassung des § 42 AO inhaltlich kaum etwas geändert habe. Es sei weder eine Präzisierung, noch eine Effekturierung geschaffen worden. Ärgerlich sei allenfalls, dass die alten Probleme des § 42 AO auch aufgrund der Neufassung bestehen blieben, gleichzeitig durch die Einführung neuer Rechtsbegriffe auch neue Rechtsunsicherheiten geschaffen seien.
Herr Prof. Dr. Michael Fischer, Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Wirtschafts- und Steuerrecht der Universität Kiel, trug sodann zu dem Thema Rechtsprechungswandel im Spannungsfeld zwischen Gesetzesbindung und Vertrauensschutz vor. Er vertrat die Ansicht, dass der Steuerpflichtige bei einer Rechtsprechungsänderung des BFH grundsätzlich Vertrauensschutz genieße. Er hielt insofern das Steuerrecht und das Zivilrecht nicht für vergleichbar, da das Steuerrecht seinem Wesen nach ein Eingriffsrecht sei. Er wies allerdings darauf hin, dass erstmalige Leitentscheidungen des BFH keinen Vertrauensschutz genießen würden. Die Schutzwürdigkeit reiche im Steuerrecht allerdings weiter als im Zivilrecht, da der Referent hier keine Abwägung mit den jeweils im Verfahren aufeinander treffenden gegnerischen Interessen für erforderlich hielt. Die Gewährung des Vertrauensschutzes sei durch Übergangsregelungen zu gewährleisten.
Anschließend referierte Herr Prof. Dr. Dieter Birk vom Institut für Steuerrecht der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster zum Thema Aktuelle Entwicklungen in der Rechtsprechung zur Liebhaberei im Ertragsteuerrecht vor. Der Referent setzte sich zunächst mit den Grundfragen der Liebhaberei im Steuerrecht auseinander und wies darauf hin, dass im Nachbarland Österreich eine sogenannte Liebhabereiverordnung Vermutungen für das Vorliegen von Liebhaberei im steuerlichen Sinne gesetzlich normiere. Hierin sah der Referent aufgrund der klar formulierten Vermutungsregelungen einen erheblichen Vorteil. In Deutschland hingegen herrsche aufgrund des vorhandenen case law zum Thema Liebhaberei eine gewisse Rechtsunsicherheit. Der Referent ging auf die neuere BFH-Rechtsprechung zur Liebhaberei ein, wonach auch die Anlaufkosten von Anfang an nicht abgesetzt werden könnten, wenn von Anfang an feststehe, dass nach objektiver Beurteilung mit Tätigkeit durch den Steuerpflichtigen keine Einkünfte erzielt werden können. Im weiteren Verlaufe seines Vortrages stellte der Referent drei Vermutungsregeln auf, nach denen eine Einordnung von Tatbeständen als Liebhaberei in Anlehnung an die österreichische Liebhabereiverordnung vorgenommen werden könnte. Sei die Tätigkeit des Steuerpflichtigen typischerweise der privaten Sphäre zuzuordnen, so sei das Vorliegen von Liebhaberei zu vermuten. Sei die Tätigkeit typischerweise eine Erwerbstätigkeit, allerdings Überschüsse offenkundig nicht zu erzielen, so liege auch dann die Vermutung der Liebhaberei vor. Und sei schließlich drittens nach Ablauf eines gewissen Anlaufzeitraumes klar, dass das Konzept des Steuerpflichtigen nicht funktioniere und ändere der Steuerpflichtige sein Konzept daraufhin nicht, so sei auch in diesem Fall zu vermuten, dass Liebhaberei vorliege. Abschließend ging Herr Prof. Dr. Birk kurz auf den Stand der Rechtsprechung zur Liebhaberei im Körperschaftsteuerrecht, insbesondere auf die Entscheidung des BFH vom 22.08.2007, ein und vertrat die Ansicht, dass diese Rechtsprechung dogmatisch nicht haltbar sei.
In der Mittagspause stellten sich der Präsident des Deutschen Finanzgerichtstages Herr Jürgen Brandt, der Präsident des Bundesfinanzhofes Herr Dr. Spindler sowie der Präsident des Finanzgerichtes Köln Herr Schmidt-Troje im Rahmen einer Pressekonferenz den Fragen der Pressevertreter. Gegenstand der Pressekonferenz waren zum einen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Pendlerpauschale, die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Erbschaftsteuerreform und als drittes Thema die Neuregelung zum Gestaltungsmissbrauch im Rahmen von § 42 AO. Als Schlussfolgerung aus dem Bundesverfassungsgerichtsurteil zur Pendlerpauschale zog Herr Schmidt-Troje die Konsequenz, dass zwar Ausnahmen vom objektiven Nettoprinzip zulässig seien, diese allerdings einen sachlichen Grund haben müssten, wobei ausschließlich fiskalische Erwägungen nicht ausreichen. Der vom Gesetzgeber beabsichtigte Lenkungs- bzw. Förderzweck müsse sich aus dem Gesetz selbst oder der Gesetzesbegründung ergeben. Des Weiteren habe der Gesetzgeber als Prüfungsmaßstäbe die Systemgerechtigkeit und die Folgerichtigkeit zu beachten. Gegenstand der Erörterung war in diesem Zusammenhang auch die Frage nach der Regelung zum häuslichen Arbeitszimmer, insbesondere ob auch hier verfassungsrechtliche Bedenken bestünden. Hier sei, so führte Herr Dr. Spindler aus, im Gegensatz zur Pendlerpauschale insoweit zu differenzieren, als dass es sich bei diesen Aufwendungen um gemischt genutzte Aufwendung handele, bei denen der Gesetzgeber einen größeren Spielraum für Einschränkungen habe.
Zum zweiten Thema der Erbschaftsteuerreform führte Herr Brandt aus, dass die Kritik des Bundesverfassungsgerichts das Bewertungsrecht im Rahmen der Erbschaftsteuer betraf. Inwieweit Vermögen überhaupt zur Versteuerung herangezogen werde oder bestimmte Vermögensmassen verschont blieben, sei nicht Gegenstand des Bundesverfassungsgerichts gewesen. Es sei also offen, ob das reformierte Gesetz zur Erbschaftsteuer insgesamt verfassungsgemäß sei. Allerdings übte Herr Brandt Kritik an der Durchführung des Gesetzgebungsverfahrens. Er wies auch darauf hin, dass das Handling des Gesetzes recht schwierig sei, insbesondere nannte er als Beispiel die Kontrolle der Lohnsummenvorschriften durch das Finanzamt. Hier, so führte Herr Brandt aus, hätte es sicherlich einfachere Wege gegeben.
Zum dritten Thema der Pressekonferenz, dem Gestaltungsmissbrauch im Sinne von § 42 AO, betonte Herr Dr. Spindler, dass der Steuerpflichtige grundsätzlich die freie Gestaltungswahl im Rahmen der steuerlichen Gesetze habe und wies darauf hin, dass der Bundesfinanzhof sich bisher bei der Rechtsprechung zu § 42 AO zurückgehalten habe. Der BFH wende § 42 AO nur in extremen Ausnahmefällen aus, so bei Fallgestaltungen, die offensichtlich keinen Sinn ergeben und bei denen gleichzeitig auf derselben Ebene gegenläufige Gestaltungen gewählt werden. Der BFH habe § 42 AO nie als Auffangtatbestand für unerwünschte Steuerfolgen angewendet. Herr Spindler stimmte den Ausführungen vom Vormittag durch Frau Prof. Dr. Hey zu, dass sich im Wesentlichen mit der Neufassung keine inhaltlichen Änderungen bei der Anwendung des § 42 AO ergeben würden. Voraussichtlich werde sich daher die Missbrauchsrechtsprechung des BFH nicht ändern. Allerdings, darauf wies Herr Spindler ausdrücklich hin, müsse man natürlich die Rechtsprechung hinsichtlich der Auslegung der neuen Begriffe des § 42 AO abwarten.
Den zweiten Teil der Tagung am Nachmittag begann der Vorsitzende Richter am Finanzgericht Köln, Herr Carsten Seßinghaus, mit seinem Referat zum Thema Praxisprobleme in der Diskussion um die Verlagerung von Privataufwand in die Erwerbssphäre. Er analysierte im Rahmen seiner Ausführung zum Drittaufwand, zum abgekürzten Zahlungsweg sowie zum abgekürztem Vertragsweg die Rechtsprechung des IX. und des X. Senats des BFH. Die bei diesen Themen divergierenden Ansichten dieser beiden Senate führten nach Ansicht des Referenten zu einem erheblichen Arbeitsaufwand sowohl für die Berater als auch die Instanzengerichte. Im Anschluss beschäftigte sich der Referent mit dem aktuellen Vorlagebeschluss des VI. Senats des BFH zu gemischt veranlassten Reisekosten. In der Auseinandersetzung der bisherigen Entscheidungen des Großen Senats des BFH aus den Jahren 1970 und 1978 und unter Einbeziehung der aktuellen Ereignisse um die sogenannten Lustreisen verschiedener deutscher Konzerne legte der Referent im Einzelnen die Kriterien für die Anwendbarkeit des § 12 EStG dar. Sodann zeigte Herr Seßinghaus im Einzelnen die Abweichungen in den Ansichten des VI. Senates auf.
Als zweiter Referent des Nachmittags trat Herr Prof. Dr. Klaus-Dieter Drüen, Inhaber des Lehrstuhls für Unternehmenssteuerrecht an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, zum Thema Probleme der verdeckten Gewinnausschüttung in Theorie und Praxis auf. In seiner Einleitung setzte er sich grundsätzlich mit der Frage der verdeckten Gewinnausschüttung als Dauerbrennpunkt der Besteuerung von Kapitalgesellschaften auseinander, um sodann einen kursorischen Überblick über die Besteuerungspraxis bei der verdeckten Gewinnausschüttung zu geben. Neben Ausführungen zur Theorie der verdeckten Gewinnausschüttung zog der Referent auch die sich daraus ergebenen Konsequenzen für die Besteuerungspraxis hinsichtlich dieses Themas. Sodann befasste sich Herr Prof. Dr. Drüen mit einigen wichtigen Fallgruppen der verdeckten Gewinnausschüttung.
Den Abschluss der Referate bildete der Vorsitzende Richter am Bundesfinanzhof, Herr Prof. Dr. Franz Dötsch und widmete sich dem Thema der Verluste im Steuerrecht. Er befasste sich insbesondere mit der Frage der Vererblichkeit von Verlustvorträgen und der Entscheidung des Großen Senats des BFH vom 17.12.2007, wonach ein Verlustvortrag des Erblassers nicht auf die Erben übergehe, sondern vielmehr mit dem Erblasser untergehe. Der Referent hält diese Entscheidung für verfassungsgemäß, denn es ergäbe nach seiner Ansicht dadurch keine Überbesteuerung des Erblasser, vielmehr würde eine andere Rechtsauffassung zu einer Unterbesteuerung der Erben führen, dies sei jedoch ein falscher Besteuerungsansatz. Gleichwohl sah der Referent ein gewisses Unbehagen bei dieser Entscheidung und verwies auf die Möglichkeit, in Extremfällen mit Billigkeitserlass zu reagieren. Er hielt es in diesem Zusammenhang für möglich, dass zur Milderung des steuerlichen Ergebnisses den Erben ein Wahlrecht gegeben werden könne, entweder alle stillen Reserven aufzudecken und somit eine letzte Versteuerung des Erblassers herbeizuführen oder das Unternehmen zu Buchwerten fortzuführen. Herr Prof. Dr. Dötsch wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es eine solche Konstellation im deutschen Steuerrecht bereits einmal gegeben habe und zwar im Jahre 1925. Abschließend ging der Referent auf die Norm des § 8c KStG ein. Diese verletze das objektive Nettoprinzip und setze das Trennungsprinzip systemwidrig außer Kraft. Er verwies darauf, dass wohl der I. Senat des BFH in Zukunft zu den Fragen des § 8c KStG zu entscheiden habe.
Den Abschluss der Veranstaltung bildete eine Podiumsdiskussion, an der sich beteiligten der Vorsitzende Richter am Bundesfinanzhof Herr Prof. Dr. Franz Dötsch, Herr Prof. Dr. Michael Fischer von der Universität Kiel, der Vorsitzende der Steuergewerkschaft Herr Dieter Ondracek, Herr Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Hans-Christoph Seewald vom Deutschen Steuerberaterverband sowie Herr Andreas Schmitz von Hülst, Finanzpräsident der Oberfinanzdirektion Düsseldorf. Die Diskussion wurde moderiert vom Präsident des Finanzgerichts Köln, Herrn Dr. Jürgen Schmidt-Troje. Den erste Themenschwerpunkt der Diskussion bildete die Frage, ob es im Steuerrecht ein Gewohnheitsrecht gebe. Herr Prof. Fischer führte aus, diese Frage sei kompliziert, am Ende aber mit Nein zu beantworten. Herr Prof. Dötsch widersprach, dass man bisher stillschweigend auch von einem Gewohnheitsrecht im Steuerrecht ausgegangen sei, zumindest bei ständiger Rechtsprechung und Verwaltungspraxis sowie fehlendem Widerspruch aus Praxis und Wissenschaft. Herr Schmitz von Hülst führte aus, dass das Gewohnheitsrecht vom Bundesverfassungsgericht anerkannt und auch vom BFH akzeptiert worden sei. Herr Ondracek äußerte, dass er gewisse Schwierigkeiten mit einem Gewohnheitsrecht im Steuerrecht habe, Rechtssicherheit könne es nach seiner Auffassung nur für die Vergangenheit geben. Dies führte zur Erörterung der Frage, ob nicht auch Gewohnheitsrecht eine Rechtssicherheit für die Zukunft schaffen könne und ob der Vorbehalt des Gesetzes dem Gewohnheitsrecht entgegen stehe. Herr Seewald äußerte in diesem Zusammenhang, dass aus Sicht der Steuerberater das Gewohnheitsrecht eine maßgebliche Größe in der Praxis sei. Als weiteres Thema wurde die Frage der Rechtsprechungskontinuität, d.h. die Änderung der Rechtsprechung nur aus wichtigen Gründen, diskutiert. Herr Seewald begrüßte das Kriterium der Rechtsprechungskontinuität als ein starkes Element der Zukunftsplanung unter Einbeziehung der Rechtsprechung in der Steuerberaterpraxis. Auch Herr Schmitz von Hülst begrüßte die Anerkennung dieses Prinzips, dass nicht ohne wichtigen Grund von gefestigter Rechtsprechung abgewichen werden soll. Herr Prof. Dr. Dötsch wies darauf hin, dass dieses Prinzip so neu gar nicht sei, betonte aber gleichzeitig, dass die Rechtsprechung dadurch nicht versteinern dürfe. Herr Prof. Dr. Fischer hielt in diesem Zusammenhang den Begriff der wichtigen Gründe für eine Änderung der Rechtsprechung für nicht justiziabel.
Weiteres Thema der Podiumsdiskussion waren der Vertrauensschutz und die Rückwirkung im Steuerrecht. Herr Prof. Dr. Fischer vertrat hier die Ansicht, Zivilrecht sei vom Steuerrecht in diesem Zusammenhang zu unterscheiden. Herr Prof. Dr. Dötsch führte aus, dass die Gerichte gerade im Steuerrecht vom Gesetzgeber oft allein gelassen werden und daher oft zum Mittel der Auslegung greifen müssten. Eine verschärfende Analogie im Steuerrecht lehnte er ab. Er verwies darauf, dass Bundesverwaltungsgericht, Bundesgerichtshof, Bundesarbeitsgericht und Bundessozialgericht in einer Fülle von Entscheidungen Vertrauensschutz gewährt hätten und stellte die Frage, warum dies auch nicht beim Bundesfinanzhof möglich sein solle. Im Steuerrecht sei es seiner Ansicht nach sogar leichter, Vertrauensschutz denn Gegner in dem Verfahren sei hier jeweils der Staat. Herr Seewald meinte, einen Vertrauensschutz würde auf Seiten der Steuerberaterschaft sicherlich begrüßt werden. Herr Prof. Dr. Dötsch wies darauf hin, dass de iure Urteile zwar nur im Einzelfall gelten würden, jedoch de facto jede BFH-Entscheidung richtungsweisend für die Finanzgerichte und auch für die Beratung durch die Steuerberater sei. Letztere würden sich sogar schadenersatzpflichtig machen, wenn sie bei ihrer Beratung die aktuelle Rechtsprechung des BFH nicht berücksichtigen würden. Der BFH müsse aus diesem Grund auch immer die Breitenwirkung seiner Urteile in den Einzelfällen berücksichtigen und über den Einzelfall hinaus einen typisierenden Vertrauensschutz gewähren. Insoweit könne der BFH an die Finanzverwaltung apellieren, auf ihrer Ebene durch Billigkeitsregelungen Vertrauensschutz zu gewähren, der BFH könne aber auch bereits im vorhinein der Finanzverwaltung entsprechende Empfehlungen geben.
Der zweite große Themenkomplex der Podiumsdiskussion war das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Pendlerpauschale. Insbesondere wurde die Frage erörtert, welche Konsequenzen für künftige Gesetzesänderungen aus dieser Entscheidung zu ziehen seien. Herr Ondracek führte aus, dass nun feststehe, dass fiskalische Gründe für eine Ungleichbehandlung nicht ausreichen würde. Dies sei jedoch keine Eingrenzung des gesetzgeberischen Spielraumes, denn insbesondere bei der Frage der Pendlerpauschale hätte der Gesetzgeber auch andere Gründe finden können. Herr Seewald führte aus, dass der Gesetzgeber zwar zweckgerichtet mit seinen Gesetzen steuern dürfe, dies allerdings nicht allein aus fiskalischen Gründen. Der Gesetzgeber wäre gut beraten, wenn er seine Gesetzesänderungen besser und konsequenter durchdenken würde. Herr Schmitz von Hülst sah zunächst erhebliche Schwierigkeiten für den Gesetzgeber, wenn er all diese Anforderungen, die Bundesverfassungsgericht ihm aufgetragen habe, erfüllen müsse. Herr Dr. Schmidt-Troje sprach im Rahmen des Verbotes fiskalischer Gründe auch die Frage an, ob auch die sogenannte Gegenfinanzierung als gesetzgeberischer Zweck damit entfiele. Anhand von Einzelfällen aus der bisherigen und der geplanten Gesetzgebung wurde diese Frage erörtert. Aus dem Plenum gab es im weiteren Verlauf der Diskussion Fragen bzw. Anmerkungen zur Vererblichkeit von Verlustvorträgen und zum Pendlerpauschale-Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Hier kam aus dem Plenum der Hinweis für die Beraterschaft, dass es in der Regel angezeigt sei, einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zu stellen, wenn Fragen der Verfassungsmäßigkeit oder der Vereinbarkeit mit europäischen Vorgaben auf dem Weg zur höchstrichterlichen Klärung seien. Des Weiteren wurde auf eine Frage aus dem Plenum das Urteil des BVerfG zu den Krankenkassenbeiträgen im Hinblick auf die Gestaltungsmöglichkeiten des Gesetzgebers und deren Einschränkungen durch das Nettoprinzip erörtert. Herr Dr. Schmidt-Troje vertrat die Auffassung, dass der Gesetzgeber zu Förder- und Lenkungszwecken vom objektiven Nettoprinzip abweichen dürfe, soweit sich diese Zwecke eindeutig aus dem Gesetz oder der Gesetzesbegründung ergeben würden und folgerichtig seien. Herr Prof. Dr. Dötsch wies darauf hin, dass die Krankenkassenbeiträge für die Steuerpflichtigen unerlässlich seien und zum Existenzminimum gehörten und deshalb vom BVerfG in diesem Fall strengere Maßstäbe angesetzt worden seien, als bei der Entscheidung zur Pendlerpauschale.
Insgesamt wurde abschließend im Podium das Fazit gezogen, dass den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts im Pendlerpauschale-Urteil Zustimmung zu geben sei. Das Bundesverfassungsgericht habe klare Vorgaben gegeben für die Frage der Systemgerechtigkeit und der Folgerichtigkeit von Gesetzesänderungen. Das Podium gab der Hoffnung Ausdruck, dass der Gesetzgeber dies beherzigen möge.
In seinem Schlusswort fasste der Präsident des Finanzgerichtstages, Herr Jürgen Brandt zusammen, dass auf der Tagung viele Facetten des Steuerrechts wahrgenommen und Lösungsansätze diskutiert worden seien. Fachlich sei das Programm dieser Tagung höchst interessant gewesen. Herr Brandt verwies auf den Finanzgerichtstag im nächsten Jahr und lud die Teilnehmer ein, sich wiederum zu beteiligen. Der 7. Deutsche Finanzgerichtstag wird am 25. Januar 2010 in Köln stattfinden. Die Einzelheiten des Programms werden voraussichtlich im September 2009 veröffentlicht werden und auf der Homepage des Deutschen Finanzgerichtstages (www.finanzgerichtstag.de) abrufbar sein.
Silke Busch, RA, FAStR, FAArbR, Korts Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Köln