Der Steueranwaltstag 2005 der Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht im Deutschen AnwaltVerein hat am 04.11.2005 und 05.11.2005 im Hotel Adlon in Berlin getagt. Die Beteiligung von über 220 Teilnehmern dokumentierte die steigende Bedeutung des Steuerrechts für die deutschen Rechtsanwälte. Mit insgesamt 12 Referenten konnte den teilnehmenden Steuerfachleuten ein breites Spektrum an Informationen angeboten werden.
Eröffnete den Steueranwaltstag 2005: Dr. Rolf Schwedhelm (l.) - Jürgen Brandt (m.) hielt den ersten Vortrag
Den Auftakt machte am Freitag Vormittag Herr Jürgen Brandt, Richter am Bundesfinanzhof und gleichzeitig Präsident des deutschen Finanzgerichtstages. Er trug über die geplante Prozessrechtsreform im Steuerrecht vor. DernSchwerpunkt seines Vortrags bildete die Studie für das niedersächsische Justizministerium vom Juli 2004 „Zukunftsfähige Justiz - Strukturreform durch Konzentration auf ihre Kernaufgaben". Seine Ausführungen gingen über in die Besprechung der Ergebnisse der Herbstkonferenz der Justizministerinnen und Justizminister vom 25.11.2004 in Berlin und deren Nachfolgekonferenz vom 29./30.07.2005 in Dortmund. Neben dieser Darstellung trug er die Position des Deutschen Richterbundes zu den aufgezeigten Plänen vor. Als Fazit stellte er fest, dass die große Justizreform, wie sie der Justizministerkommission vorschwebt, sich aus justizieller Sicht wie auch aus Sicht der rechtsuchenden Bürger eher als eine Schwächung erweist. Viele der vorgeschlagenen Maßnahmen zielen auf eine Zentralisierung der Justiz ab, ohne damit substanzielle Verbesserungen der Rechtsschutzgewährleistung durch den Staat erreichen zu können. Herr Jürgen Brandt stand innerhalb der gesamten weiteren Tagung den Teilnehmern in den informellen Gesprächen der Pausen dankenswerterweise weiter zur Verfügun.
Herr Kollege Friedhelm Jacob führte die Tagung souverän und leitete die Diskussionsbeiträge zwischen den einzelnen Referaten
Prof. Dr. Ferdinand Kirchhof hatte die Aufmerksamkeit auf seiner Seite
Im zweiten Vortrag des ersten Tages trug Prof. Dr. Ferdinand Kirchhof zu den Grenzen des verfassungsrechtlich gesicherten Rechtsschutzes vor. Dabei betonte er, dass Grundfreiheiten und Beihilferegeln des EG–Vertrages sowie EG-Richtlinien im Steuerrecht den Gerichtsschutz über das deutsche, nationale Recht hinaus erweitern. Bestehende Rechtsschutzdefizite sah er jedoch bei den unmittelbar wirkenden Durchführungsverordnungen und Steuerrichtlinien. Ferner widerspricht seiner Meinung nach der umfassende Ausschluss des Suspensiveffekts von Einsprüchen und Klageevernehmungen dem Regel-Ausnahme-Prinzip eines effektiven vorherigen Rechtschutzes. Die ausgedehnten Mitwirkungslasten des Steuerpflichtigen, die umfassenden Zugriffsrechte der Finanzverwaltung sowie die Präklusionsbefugnisse des § 364 b AO unterminieren die Waffengleichheit vor Gericht nach Artikel 3 GG und das Grundrecht auf ein faires Verfahren
Dr. Burkhard Binnewies nahm zur verdeckten Gewinn-Ausschüttung bei Aktiengesellschaften und Köperschaften Stellung
Herr Kollege Dr. Burkhard Binnewies sprach zur verdeckten Gewinnausschüttung bei Aktiengesellschaften und Körperschaften öffentlichen Rechts und Vereinen. Die verschiedenartig möglichen „Machtstrukturen“ in einer Aktiengesellschaft zwingen hierbei zu einer differenzierten Betrachtungsweise, wobei als Zwischenergebnis festgehalten werden kann, dass die anhand der GmbH entwickelten Grundsätze für vGA auf die AG übertragen werden können. Dies gilt aber nicht für die zusätzlichen Anforderungen für das Verhältnis zwischen der AG und einem beherrschenden Aktionär. Bei der Anwendung der Regelungen über vGA zwischen Betrieben gewerblicher Art (BgA) und öffentlich-rechtlich beherrschten Kapitalgesellschaften ist zu differenzieren bei Leistungsbeziehungen zwischen BgA bzw. Kapitalgesellschaft einerseits und öffentlich-rechtlichen Körperschaften anderseits. Allerdings g gelten grundsätzlich die allgemeinen Regelungen hinsichtlich der vGA. So gilt weiterhin der Grundsatz, dass die Leistungsbeziehungen angemessen und üblich ausgestaltet sein müssen. Ferner gelten die Sonderbedingungen für beherrschende Gesellschafter. Diese erfahren im Fall des BgA insoweit eine Einschränkung, als dass auf die Voraussetzung der zivilrechtlichen Wirksamkeit für die Leistungsbeziehung verzichtet wird, da die öffentlich-rechtliche Trägerschaft mit sich selbst zivilrechtlich keine wirksame Vereinbarung treffen kann. Im Fall eines defizitären Betriebes in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft oder des BgA kommt es dann zu einer vGA, wenn der Betrieb selbst von den öffentlich-rechtlichen Rechtsgrundlagen nicht gedeckt ist. Dies kann insbesondere bei unangemessenen Prestigeobjekten der Fall sein.
Als Ergebnis zu der Frage von vGAs bei Vereinen bleibt festzuhalten, dass Spenden und Sponsoring-Aufwendungen von Kapitalgesellschaften an Vereine grundsätzlich nicht zur vGA führen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der unmittelbare Zuwendungsempfänger selbst Gesellschafter der Kapitalgesellschaft ist. Insoweit ist ein sog. „Fremdspendenvergleich" durchzuführen. Besteht ein Näheverhältnis eines Gesellschafters zum Zuwendungsempfänger, führt dies nur ausnahmsweise zur Annahme einer vGA. Über dieses Näheverhältnis hinaus ist für die Annahme einer vGA Voraussetzung, dass die Zuwendung unverhältnismäßig hoch ist.
Bei Zuwendungen von Vereinen an ihre Mitglieder kann es ebenfalls zu einer vGA kommen. Dies ist der Fall, wenn diesbezüglich keine Rechtsgrundlage besteht oder die Zuwendung unverhältnismäßig ist. Erbringt der Verein Leistungen gegenüber den Mitgliedern, müssen diese nach dem Kostendeckungsprinzip erbracht werden. Im Mitgliedsverhältnis ist der Verein nicht verpflichtet, Überschuss zu erzielen. vGA-trächtig sind Sonderzuwendungen an einzelne Vereinsmitglieder.
Der Vortrag von Herrn Kollegen Dr. Eckhard Wälzholz betraf die Vertragsgestaltung des Gesellschaftsvertrages der GmbH & Co. KG aus steuerlicher Sicht
Dr. Wälzholz führte ausführlich zur Frage aus, welche Form der Gesellschafterkonten in welchen verschiedenen Fällen von Prüfungen der Finanzverwaltung betroffen sein können. Er kam auf die gewerbesteuerliche Gestaltungsprobleme bei der Mitunternehmerschaft ebenso zu sprechen wie auf die Kapitalertragsteuer bei der Mitunternehmerschaft. Weitere Schwerpunkte seines Vortrags waren die zivilrechtliche und steuerliche Gestaltung einer qualifizierten Nachfolgeklausel bei der Personengesellschaft und die Gestaltungsüberlegung im Hinblick auf Überentnahmen nach § 4 Absatz 4a EStG.
Sein Vortrag schloss mit der Frage, inwieweit im Verhältnis der Gesellschaften untereinander die Umsatzsteuer als Problempunkt anzusehen ist.
EuGH ganz praxisnah: Dr. Dieter Kischel
Herr Dr. Dieter Kischel, Referent der Europäischen Kommission, Generaldirektion Zoll und Steuern, führte die praxisrelevante EuGH-Rechtsprechung und die Vertragsverletzungsverfahren zu den direkten Steuern vor. Neben statistischem Material zur Rolle des EuGH stellt er die EuGH-Rechtsprechung anhand verschiedener Verfahren vor („Schumacker“, Rechtssache „D";„Meilicke"; „Marks & Spencer“), um abschließend über die Rechtssache „Columbus" zu berichten. In seinen Schlussfolgerungen hielt er fest, dass die EuGH-Rechtsprechung mehr und mehr das deutsche Steuerrecht bestimmt. Er wies auf den Anstieg der laufenden Verfahren hin und machte auch Ausführungen zu den sich für die Bundesregierung aus diesen Verfahren ergebenden Haushaltsrisiken. Er wies darauf hin, dass die Urteilsinhalte im Wesentlichen integrationsfreundlich sind, während die Rechtssystematik für ihn nicht immer sauber erkennbar sei. Weiterhin machte er darauf aufmerksam, dass aufgrund des Fortschritts der EuGH-Rechtsprechung eine EU-Gesetzgebung/Koordinierung notwendig sei. Dazu gehöre jedoch auch eine glaubwürdige europäische steuerpolitische Perspektive.
Was ist möglich? Dr. Otmar Thömmes befasste sich mit Einspruchsverfahren gegen Europarecht
Herr Kollege Dr. Otmar Thömmes stellte die verschiedenen Möglichkeiten vor, inwieweit der Anwalt Verstöße gegen das Europarecht geltend machen kann. Er verwies auf die Geltendmachung von Verstößen im Einspruchsverfahren, führte zum vorläufigen Rechtsschutz aus und verwies weiter auf die gerichtliche Geltendmachung, um nicht zuletzt auch die Petition zum europäischen Parlament anzusprechen. Seine Ausführungen veranschaulichte er mit Hinweisen auf gegenwärtig anhängige Verfahren.
Mitglied im geschäftsführendern Ausschuss der Arge und Referent zum Dauerthema Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistung: Dr. Matthias Söffing
Herr Kollege Dr. Matthias Söffing trug zu dem Dauerthema „Nießbrauch/Renten/dauernde Last – Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen“ – vor. Die steuerlichen Problemstellungen der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen wurden von ihm unter Einbeziehung der aktuellen Rechtsprechung des BFH umfassend dargelegt.
Führte das Thema Nießbrauch kompetent fort: Dr. Heinrich Hübner
Herr Kollege Dr. Heinrich Hübner führte unter dem Titel „Nießbrauch/Renten/dauernde Last“ die schenkungsteuerliche Behandlung dieses Themas weiter fort. Die wechselseitige Ergänzung beider Referenten war lückenlos und bot ein sehr guten Überblick über die (aktuellen) Problemkreise dieses Gebiets.
Ministerial-Dirigent Werner Widmann
Aus der Sicht der Verwaltung stellte Herr Ministerialdirigent Werner Widmann aktuelle Fragen des Umsatzsteuerrechtes vor. Einer der wichtigsten Ansatzpunkte von Seiten der Verwaltung war die Besteuerung von Glücksspielumsätzen und die private Nutzung unternehmerischer Räume. Über das Urteil des EuGH im Fall „Seeling“ hinaus wurde auf die aktuelle Behandlung des häuslichen Arbeitszimmers Bezug genommen. Weiterhin wurde angesprochen die Rückerstattungsmöglichkeit der Umsatzsteuer bei privaten Bauten, soweit mit diesen eine unternehmerische Vermietung noch stattfinden könne.
Neu ist die Sichtweise der Finanzverwaltung zu der Frage, ob die Geschäftsführertätigkeit bei Gesellschaften als unternehmerische Tätigkeit zu werten sei. Der Referent ging weiter auf den Vorsteuerabzug im Zusammenhang mit Börsengängen und damit auf das EuGH-Urteil in Sachen „Kretztechnik“ ein. Der Vortrag endete mit Bemerkungen über den Vorsteuerabzug bei angemessenen Bewirtungskosten.
Erster Referent am Samstag: Dr. Ulrich Prinz nahm Stellung zu Gesellschafterfremdfinanzierung
Den nächsten Tag eröffnete Prof. Dr. Ulrich Prinz mit seinem Vortrag zur Gesellschafterfremdfinanzierung im Lichte des § 8a KStG (Problem und Lösung). Dieser stellte sowohl die Grundfälle des BMF-Schreibens vom 15.07.2004 dar, wie auch schwierige Spezialfälle und internationale Aspekte des § 8a KStG. Letztendlich wies er Gestaltungsmöglichkeiten rund um den § 8a KStG auf.
Eindrucksvoll schilderte der Referent die Problemstellungen des 8a KStG. Trotz dieses hochkomplexen Stoffes schaffte es Herr Prof. Dr. Prinz, die Materie in der kurzen Zeit überzeugend darzustellen.
Skizzierte den "gläsernen Europäer": Wolfgang Lübke
Herr Wolfgang Lübke, Leiter der Steuerfahndung im Finanzamt für Fahndung und Strafsachen Berlin, stellte unter der Frage „Der gläserne Europäer“ die neuen Ermittlungsmöglichkeiten der Steuerfahndung dar. Einleitend machte Herr Lübke klar, dass er bei der Zusammenstellung dieses Themas kaum glauben konnte, wie viele Informationsquellen der Finanzverwaltung inzwischen zur Verfügung stehen, um die (steuerlichen) Daten von Personen zu erfassen. Sein Fazit lautete, dass die Finanzverwaltung trotz der vielen Haushaltslöchern dennoch genug Mittel besitze, um diese neuen (technischen) Ermittlungsmöglichkeiten tatsächlich durchzuführen und zu nutzen. Er machte weiter darauf aufmerksam, dass das Personal im Regelfall hervorragend ausgebildet sei und natürlich auch Spaß daran habe, diese neuen Möglichkeiten umfassend einzusetzen!
In Irland tätig und letzte Referentin des Steueranwaltstages 2005: Ursula Tipp
Den Tag schloss der Vortrag von Frau Kollegin Ursula Tipp mit dem Thema „Auslandgesellschaften – ein rotes Tuch für den deutschen Fiskus.“ Aus der Sicht einer in Irland tätigen Anwältin schilderte sie die Möglichkeiten, mit einer irischen Limited in Deutschland tätig zu werden.