Kein Wegfall des Verschonungsabschlags bei Insolvenzeröffnung über das Vermögen einer KG

Orientierungssatz:

Der Verschonungsabschlag für den Erwerb eines Anteils an einer KG fällt bei Veräußerung des Anteils, im Falle der Betriebsaufgabe oder bei der Veräußerung oder Entnahme wesentlicher Betriebsgrundlagen nachträglich (anteilig) weg. Die bloße Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der KG führt jedoch noch nicht zum anteiligen Wegfall des Verschonungsabschlags.

Entscheidung:

BFH, Urt. v. 1. Juli 2020 – II 19/18

  1. Sachverhalt:

Der Kläger und sein Bruder beerbten den im Jahre 2010 verstorbenen Erblasser je zur Hälfte. Der Erbe war zum Zeitpunkt seines Todes als Kommanditist an einer GmbH & Co. KG (im Folgenden „KG“) beteiligt.

Mit Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Werts des Anteils am Betriebsvermögen stellte das zuständige Finanzamt (FA) – erklärungsgemäß – zunächst einen Wert des Kommanditanteils i.H.v. 26.020.059 € fest, von welchem jeden Miterben ein hälftiger Anteil von jeweils 13.010.030 € entfiel. Der Feststellungsbescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Das FA ermittelte einen Wert des Erwerbs i.H.v. 13.131.846 € und berücksichtigte u.a. einen Verschonungsabschlag nach § 13a Abs. 1 ErbStG aF in der im Streitjahr 2010 geltenden Fassung i.H.v. 11.058.525,08 (85 % von 13.010.030 €). Ausgehend von einem steuerpflichtigen Erwerb i.H.v. 1.791.200 € setzte das Finanzamt Erbschaftsteuer i.H.v. 340.328 € gegen den Kläger fest.

Nachdem der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Werts des Anteils am Betriebsvermögen in der Folgezeit mehrfach geändert wurde, stellte das für die Feststellung zuständige FA den Wert des Anteils auf 9.587.352 € fest. Dabei rechnete es jedem Erben einen hälftigen Anteil von 4.793.676 € zu.

Im Jahr 2014 wurde über das Vermögen der KG das Insolvenzverfahren eröffnet. Anschließend wurden im Januar 2015 wesentliche Teile des Betriebsvermögens durch den Insolvenzverwalter veräußert.

Daraufhin erfasste das FA den Anteil am Betriebsvermögen i.H.v. 4.793.676 €,gewährte den Verschonungsabschlag lediglich anteilig für 3 Jahre und setzte die Erbschaftsteuer auf 432.231 € herauf. Den dagegen eingelegten Einspruch wies das FA als unbegründet zurück.

Mit der Klage begehrte der Kläger die Berücksichtigung eines Verschonungsabschlags für 4 Jahre statt des angesetzten i.H.v. 2.444.775 € für nur 3 Jahre. Zur Begründung führte der Kläger u.a. an, dass nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Geschäftsbetrieb der Firma durch den Insolvenzverwalter zunächst fortgeführt worden sei, die Produktion auch unverändert weitergelaufen sei und die Mitarbeiter des Unternehmens nicht entlassen worden seien. Bei der Personengesellschaft stelle die bloße Eröffnung des Insolvenzverfahrens keinen Veräußerungstatbestand dar.

Das FG Nürnberg wies die Klage mit der Begründung ab, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über eine Personengesellschaft stelle eine Betriebsaufgabe i.S.d. § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 ErbStG aF dar.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Änderung des angefochtenen Erbschaftsteuerbescheids (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Nach der Rechtsprechung des BFH führt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der KG nicht zum anteiligen Wegfall des Verschonungsabschlags, sondern erst die spätere Veräußerung wesentliche Betriebsgrundlage durch den Insolvenzverwalter.

Gemäß § 13a Abs. 1 Satz 1 ErbStG aF bleibt u.a. der Wert von Betriebsvermögen gem. § 13b Abs. 4 ErbStG aF insgesamt außer Ansatz (Verschonungsabschlag).

Der Verschonungsabschlag fällt mit Wirkung für die Vergangenheit weg, soweit der Erwerber einen Anteil an einer Gesellschaft i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 oder § 18 Abs. 4 EStG innerhalb von 5 Jahren (Behaltensfrist) veräußert, wobei als Veräußerung auch die Aufgabe des Gewerbebetriebs gilt (§ 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 ErbStG aF). Gleiches gilt, wenn wesentliche Betriebsgrundlagen eines Gewerbebetriebs veräußert oder in das Privatvermögen überführt oder anderen betriebsfremden Zwecken zugeführt werden (§ 13a Abs. 5 Satz 1 Nr.1 Satz 2, Halbs. 1 ErbStG aF).

Beim Erwerb von Anteilen an Kapitalgesellschaften i.S.d. § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG aF fällt der Verschonungsabschlag mit Wirkung für die Vergangenheit weg, soweit der Erwerber den Anteil ganz oder teilweise veräußert (§ 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 ErbStG aF). Gleiches gilt, wenn die Kapitalgesellschaft innerhalb der Frist aufgelöst wird (§ 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 ErbStG aF).

Der BFH legt in seiner Entscheidung dar, dass § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 ErbStG aF aufgrund der weitgehenden Übereinstimmigkeit der Nachversteuerungstatbestände mit den Erwerbstatbeständen dahingehen auszulegen ist, dass die Alternative „Aufgabe eines Anteils an einer Gesellschaft iSd § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG“ auch die Fälle erfasst, in denen eine Aufgabe des (ganzen) Gewerbebetriebs durch eine Mitunternehmerschaft erfolge (BFH, Urteil vom 16. Februar 2005 – II R 39/03, BStBl. II 2005, 571). Dabei kommt es auf die Gründe für die Veräußerung oder Betriebsaufgabe für die Nachversteuerung nicht an.

Zwar führt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer KG wie die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Kapitalgesellschaft zur Auflösung der Gesellschaft. Für die KG ergibt sich dies aus § 161 Abs. 2 i.V.m. § 131 Abs. 1 Nr. 3 HGB, für Kapitelgesellschaften aus § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG und aus § 262 Abs. 1 Nr. 3 AktG. Allerdings habe die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der damit einhergehenden Auflösung der Gesellschaft unterschiedliche ertragsteuerrechtliche und erbschaftsteuer- und schenkungsteuerrechtliche Auswirkungen.

1. Erbschaftsteuer- und schenkungsteuerrechtlich führt die Auflösung der Kapitalgesellschaft bereits nach dem klaren Wortlaut des § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 ErbStG aF zum nachträglichen Wegfall des Verschonungsabschlags mit der Folge, dass mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Kapitalgesellschaft die Steuervergünstigung nach § 13a Abs. 1 ErbStG aF für den Erwerb eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft anteilig rückwirkend wegfällt (BFH, Urteil vom 21. März 2007 – II R 19/06). Zudem führt die Auflösung bei der Kapitalgesellschaft auch ertragsteuerrechtlich gemäß § 17 Abs.4 Nr 1 EStG zu einer Veräußerung i.S.d. § 17 Abs. 1 EStG.

 

  1. Erbschaftsteuer- und schenkungsteuerrechtlich führe die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der KG auch nicht zum Wegfall des Verschonungsabschlags durch Auflösung einer Personengesellschaft. Zum einen spreche bereits der eindeutige Wortlaut des § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 und 2 ErbStG aF dagegen. Danach führen nur die Veräußerung des Anteils an einer KG, die Betriebsaufgabe oder die Veräußerung oder Entnahme wesentlicher Betriebsgrundlagen zum nachträglichen Wegfall des Verschonungsabschlags. Diese Begriffe sind dabei nach der Auffassung des BFH „eng an das Ertragsteuerrecht angelehnt“ und müssen dementsprechend eng ausgelegt werden. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer KG führt ertragsteuerlich nicht zur Betriebsaufgabe.  
  2. Darüber hinaus habe der Gesetzgeber durch die Regelungen des § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 ErbStG aF und § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 ErbStG aF eine Unterscheidung zwischen der Auflösung einer Kapitalgesellschaft und der Auflösung einer Personengesellschaft vornehmen wollen. Aufgrund der vergleichbaren Sachverhalte verbiete es sich gegen den Willen des Gesetzgebers § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 ErbStG aF auf Personengesellschaften entsprechend anzuwenden.
  3. Zudem sei die Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch nicht mit der Betriebsaufgabe vergleichbar. Dies ergebe sich bereits daraus, dass es im Rahmen des Insolvenzverfahrens auch möglich wäre, dass der Betrieb zunächst oder dauerhaft fortgeführt werde oder nur unwesentliche Betriebsgrundlagen veräußert werden, um die Gläubiger zu befriedigen. Der Tatbestand des § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 ErbStG aF ist erst dann erfüllt, wenn der Insolvenzverwalter den Betrieb endgültig einstellt oder wesentliche Betriebsgrundlagen veräußert. Erst dann kann von einer Betriebsaufgabe gesprochen werden.
  4. Auch der Sinn und Zweck des § 13a ErbStG aF lässt keine andere Auslegung zu. Die Steuerbegünstigung nach § 13a ErbStG aF hat zum Ziel, das in besonderer Weise dem Gemeinwohl dienende Vermögen angemessen zu begünstigen, bei denen im Zuge des Betriebsübergangs die Arbeitsplätze weitestgehend gesichert werden und die Betriebsfortführung nicht durch die Erbschaft- und Schenkungsteuer belastet wird. Eine Abreitplatzsicherung liegt dann vor, wenn über eine bestimmte Zeit hinweg der Betrieb nach dem Erwerbszeitpunkt fortgeführt wird.
  5. Wie bereits aus § 1 Satz 1 InsO hervorgeht, kann das Insolvenzverfahren auch dazu dienen, Regelungen zum Erhalt des Unternehmens zu treffen. Das Insolvenzverfahren führt nicht zwingend und ausschließlich zur Zerschlagung der Vermögenswerte des Betriebs. Dabei ist unerheblich, dass mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Insolvenzschuldners auf den Insolvenzverwalter übergeht. Der Wortlaut des § 13a Abs. 1 ErbStG aF setzt gerade nicht die Verfügungsbefugnis des Erwerbers voraus
  6. Erst die insolvenzbedingte Veräußerung und damit die insolvenzbedingte Aufgabe des Betriebs führt zum Wegfall des Verschonungsabschlags, dagegen nicht die bloße Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

III. Anmerkung

Der BFH hat in den Entscheidungen vom 1. Juli 2020 – II R 19/18 und II R 20/18 eine für die Praxis relevante Frage behandelt, da ein Verstoß gegen die Behaltenspflicht innerhalb von 5 Jahren im Fall der Regelverschonung  bzw. innerhalb von 7 Jahren im Fall der Optionsverschonung eine Nachversteuerung auslöst. Die Entscheidung ist auch aufgrund der durch die Covid19-Pandemie zu erwartende Insolvenzwelle von Bedeutung.

RA Alessando Saitta